Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
Vom Netzwerk:
dem Nichts heraus – eine Nebelwolke über dem Wasser bildete, hielt Lena die Luft an. Bleiche Augen blickten ihnen aus dem Nebel entgegen, aber der Geist – so es denn einer war – verschwand sofort wieder.
    In diesem Moment sackten Aravyns Schultern nach unten, und sie drehte sich um. »Es gelingt mir nicht, Lena.«
    »Schon gut«, brummte sie.
    Nun schlug Aravyn ihre Hände vor das Gesicht, und Tränen quollen darunter hervor.
    »Hey, du hast es versucht. Ich weiß ja, dass es für euch schwierig ist«, sagte Lena und drückte aufmunternd Aravyns Schulter.
    »Ich wünschte, ich könnte es. Ich möchte Ragnar so gern beistehen.«
    »Sicher kommt er zurecht!«, versicherte Lena ihr, obwohl sie das Gegenteil befürchtete. »Komm jetzt, ich möchte nach Kian sehen.« Aravyn wischte sich über die Augen und nickte. Entschlossen stapfte Lena zu der Hütte, in die man Kian gebracht hatte. Ein dicker Teppich aus karierter Wolle hing vor dem Eingang. Vorsichtig schob Lena ihn zur Seite und erwartete eine beengte, möglicherweise rauchige Behausung. Stattdessen trat sie in einen recht großzügigen, runden Raum. Hellblaue Kristalle spendeten ein freundliches und beruhigendes Licht, und in der Mitte prasselte ein fast rauchloses Feuer. In einem Kessel köchelte Suppe oder Eintopf langsam vor sich hin und verströmte einen appetitanregenden Geruch. Hier drinnen war es überraschend warm, deshalb zog Lena den Mantel aus.
    »Hast du dich aufgewärmt?«, erkundigte sich Romba und nickte Aravyn zu, die gleich hinter Lena hineinschlüpfte.
    »Ja, danke, es war wunderbar.«
    Die kräftige Frau fuhr sich durch ihre dunkelblonden Haare. »Wir müssen Arihan fragen, ob er noch mehr dieser Wärmekristalle besorgen kann, falls es weiterhin so kalt bleibt. So etwas habe ich noch nicht erlebt.«
    »Ist es hier nie so lange Winter?«
    »Was ist Winter ?« Die Frau legte fragend den Kopf schief.
    »Na ja, die kalte Jahreszeit. Einige … ähm …« Sie wusste, hier maß niemand die Zeit in Wochen oder Monaten, also bemühte sie sich, es anders zu formulieren. »Es schneit über eine lange Periode, und es ist kalt.«
    »In welchem Teil Elvancors soll das denn geschehen?«, wunderte sich Romba. »Stammst du von einem Bergvolk, das nahe den Gipfeln von Avarinn lebt?«
    Nachdem Lena gerade erst einer Opferung entronnen war, wollte sie nicht zu viel preisgeben und lenkte vom Thema ab. »Wie geht es Kian?«
    »Einer unserer Heilkundigen ist bei ihm. Du kannst ihm eine Schüssel voll Suppe bringen.« Romba reichte ihr eine Holzschale und deutete auf den Kessel.
    »Ja, das mache ich gerne.«
    »Nehmt euch zu essen. Ihr werdet hungrig sein.«
    »Ich habe bereits gegessen, aber kann ich dir behilflich sein, Romba?«, erkundigte sich Aravyn.
    Die Bergfrau runzelte die Stirn, dann nahm sie eine Holzschale mit grünlichem Brei in die Hand. »Du könntest dem lahmenden Pferd diese Paste auf das Bein streichen.«
    »Ja, sehr gern.« Aravyn sah zu Lena hinüber. »Ich bin froh, mich ablenken zu können.« Damit ging sie wieder hinaus, gefolgt von Rombas Blick.
    »Selten habe ich eine so faszinierende Tuavinn zu Gesicht bekommen. Den Männern im Dorf klappt jedes Mal der Unterkiefer herunter, sobald Aravyn auftaucht«, lachte sie.
    »Kann ich mir vorstellen«, murmelte Lena, schöpfte zwei Schüsseln voll und balancierte sie zum hinteren Teil der Behausung. Erstaunlicherweise endete die aus Weiden geflochtene Hütte in zwei hohlen Baumstämmen. Auch hier hingen Decken vor den Eingängen.
    »Der rechte Eingang«, rief Romba ihr zu.
    Mit dem Rücken zuerst verschaffte sich Lena Eintritt. Dieser Raum war deutlich kleiner, maß vielleicht vier Schritte. Auf einem Lager aus Stroh lag Kian. Ein Mann mit grauem Haar war damit beschäftigt, sein Bein zu verbinden.
    Lena stellte die Schüsseln auf eine Truhe neben dem Bett und ließ sich neben Kian nieder. »Wie geht es dir?«
    Seine Haut war blass, sein Blick völlig abwesend, wie er so auf die dicke Rinde des hohlen Baumes starrte.
    »Alles wird heilen«, antwortete er lediglich, drehte den Kopf zur Seite und schloss die Augen.
    »Er wird bald wieder auf den Beinen sein«, bestätigte der bärtige Heiler, erhob sich ächzend und verließ den Raum.
    »Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht.« Sanft berührte sie Kians Schulter, allerdings schüttelte er nur den Kopf, ohne die Augen zu öffnen.
    »Es tut mir so leid mit deinem Bruder«, sagte sie und spürte, wie ihre Stimme zu zittern begann. »Wenn du jetzt

Weitere Kostenlose Bücher