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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Blut hatte den Schnee rot gefärbt.
    »Du warst bei den Tuavinn, Lena? Erzähl mir später davon«, verlangte Arihan. »Ich werde euch Hilfe durch das Bergvolk schicken und später zu euch stoßen.«
    Ein gequältes Stöhnen kam plötzlich über Ruvens Lippen, und Kian hob erschrocken den Kopf. Doch in diesem Moment änderte sich etwas in Arihans Blick. Ein feiner Schleier legte sich über seine Augen, und es war, als würden sie sich auf einen fernen Horizont richten, der nicht von dieser Welt war. Fast gleichzeitig entspannten sich Ruvens Gesichtszüge, sein Kopf sank gegen die Schulter des Tuavinn.
    »Zwei von uns fehlen, wirst du auch sie in die Ewigkeit geleiten?«, fragte Ureat.
    »Ihr Dasein in Elvancor ist noch nicht beendet. Sucht sie, sie sind am Leben.«
    Arihan murmelte einige Worte, und schon wirbelte der Schnee auf, erneut flatterte sein Umhang um seinen Körper, der Schatten im Schnee glich wild schlagenden Flügeln. Verdutzte Rufe ertönten von Ureat und den anderen Männern. Eine Gestalt erhob sich aus dem Schnee – doppelt so groß wie der Tuavinn, und ein anmutiges Frauengesicht aus glitzernden Eiskristallen sah auf Arihan herab. Auch das lange Gewand und die schmalen Arme funkelten wie Tausende Diamantsplitter. »Die Nebel der Ewigkeit erwarten dich, Ruven, Sohn des Teros«, sagte sie mit sanfter Stimme, umschloss die beiden Männer in einer Umarmung. Der Schnee wirbelte abermals auf, und schon waren sie verschwunden.
    Während die Krieger allesamt staunend und stumm dastanden, hatte Kian sein Gesicht in den Händen versteckt und saß noch immer auf dem gleichen Fleck.
    »Kian, ich weiß, es ist schrecklich, aber steh jetzt auf, es ist eiskalt. Wir müssen in Bewegung bleiben.«
    Kian wollte sich erheben, doch sein Knie knickte ein. Erst jetzt bemerkte Lena, dass sein rechtes Hosenbein blutdurchtränkt war, und als sich einer der Krieger zu ihm herabbeugte und den Stoff mit seinem Messer aufschnitt, wurde ihr übel. Kians Knie war auf das Doppelte angeschwollen und blutverschmiert.
    »Ist es gebrochen?«
    »Kann schon sein«, antwortete Kian gleichgültig.
    Zwei Männer halfen ihm auf, die übrigen begaben sich auf die Suche nach ihren Freunden. Kurz darauf kehrten sie mit zwei Verletzten zurück und sahen sich unschlüssig um. »Sollen wir wirklich auf Angehörige vom Bergvolk warten?«, erkundigte sich einer von ihnen.
    Ureat atmete scharf durch die Nase aus, sein Blick ruhte auf Kian. »Nun, das war unser Plan. Wir suchen unsere Gefährten, dann ziehen wir weiter. Die Angreifer kamen aus Erborg und konnten uns im Schnee leicht aufspüren. Auch wenn einige von ihnen verletzt sind, konnten sie entkommen und werden Hilfe holen. Also ist es wohl klüger, eine bessere Deckung in der Umgebung zu suchen.«
    Einer der Krieger war bereits dabei, Kian einen notdürftigen Verband anzulegen.
    »Du hast mir das Leben gerettet«, hörte Lena Ureat da brummen. »Ich danke dir!«
    Lena nickte nur knapp, denn es belastete sie, dass sie Ruven nicht auch hatte retten können. In der Hoffnung, ihr schlechtes Gewissen abzuschütteln, half sie den anderen, die verstreuten Pferde zu holen. Einige Wachen aus Erborg lagen tot im Schnee und Lena fragte sich, ob Arihan oder ein anderer Tuavinn auch sie in die Ewigkeit geleiten würde.
    »Kian, kannst du reiten?«, fragte sie, als sie schließlich zum Aufbruch bereit waren.
    Als er nicht reagierte, streichelte Lena ihm vorsichtig über die Wange. »Kian, hast du gehört?«
    Endlich wandte er sich ihr zu – mit so viel Verzweiflung in den Augen, dass sich ihr Herz zusammenkrampfte. »Es wird schon gehen«, murmelte er. Seine Stimme klang emotionslos, jegliche Lebensfreude in ihm schien verloschen zu sein.
    Das Pferd, mit dem sich Kian überschlagen hatte, lahmte, daher würde es keinen Reiter tragen können. Unter großer Anstrengung hievten die Männer die Verletzten auf die anderen Reittiere, und zwei Krieger erklärten sich bereit zu laufen, sodass auch Lena reiten konnte. Sie blieb neben Kian, der mit starrer Miene im Sattel saß. Es musste ausgesprochen schmerzhaft sein zu reiten, aber er beklagte sich nicht.
    Die angeschlagene Truppe war noch nicht weit gekommen, als sie in der Ferne die Silhouetten einiger Menschen erkannten, die sich aus östlicher Richtung näherten. Sofort hob Ureat die Hand, die Reiter zügelten ihre Pferde, Hände wanderten zu den Waffen. Auch Lena richtete sich gespannt im Sattel auf, hoffte inständig, nicht erneut in einen Kampf zu

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