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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Forschend sah er sie an. »Ist das denn so wichtig?«
    »Nein, eigentlich nicht«, seufzte sie. So schwer es auch für sie nachvollziehbar war, hier interessierte sich tatsächlich niemand für Jahre, Monate oder gar Jahrhunderte, die vergingen. Und wenn Kian ihr nicht mit Absicht etwas Falsches erzählt hatte, so konnte man die Zeit nicht einmal anhand von Sternenzyklen messen.
    Auf Lena wirkte Kian nur unwesentlich älter als sie selbst, aber vielleicht lebte er schon hundert oder zweihundert Jahre in Elvancor.
    »Wie lange lebst du denn schon?«, stellte er nun die Gegenfrage.
    Im Kopf fing Lena an auszurechnen, wie viele Tage achtzehn Jahren entsprachen, aber als sie Kians lauernden Blick bemerkte, hob sie lediglich die Schultern. »Ich weiß nicht.«
    »Hm.« Er fuhr sich über sein stoppeliges Kinn, dann erhob er sich und ging zur Tür. »Folge mir, ich zeige dir deinen Schlafplatz für heute Nacht.«
    Er führte Lena zu einer schmalen Tür und musste den Kopf einziehen, als er einen Raum ohne Fenster betrat. Dieser beherbergte lediglich ein Bett und eine Truhe. Eine Kerze in einem Metallgestell an der Wand spendete spärliches Licht.
    »Ich wünsche dir eine angenehme Nachtruhe. Solltest du etwas benötigen, kannst du fragen.«
    »Wohnst du auch hier?«, wollte Lena wissen, wobei sie sich auf der Holztruhe niederließ.
    »Ja, es ist meines Onkels Haus.« Damit ließ er Lena allein zurück.
    Auf der Truhe stand ein Krug mit Wasser, außerdem eine leere Schüssel und eine kleine Holzschale mit winzigen weißen Beeren darin. »Ich vermute, die Schüssel ist zum Waschen gedacht«, murmelte sie vor sich hin.
    Vorsichtig nahm sie eine der Früchte in die Hand, drehte sie herum, roch daran, dann kostete sie davon. Sie hatte keinen besonderen Eigengeschmack, und da Lena ohnehin nicht mehr hungrig war, ließ sie die Beeren einfach liegen.
    Sie schlurfte zu dem Bett, auf dem ein langes Nachthemd lag, und setzte sich darauf nieder. Wirklich müde war sie nicht. Von draußen drangen gedämpfte Stimmen herein, und sie glaubte, die von Kian herauszuhören.
    Ob Ragnar nach mir sucht? Sich Sorgen macht? So verlockend dieser Gedanke auch war, sie wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder bei ihm zu sein. Wie lange wollten diese Menschen sie hier festhalten? Lena legte sich auf das schmale Holzbett. Das Knistern ließ vermuten, dass die Matratze mit Stroh gefüllt war. Zumindest roch die Decke frisch. Ein Blick in die Höhe zeigte Holzplanken. Vielleicht befanden sich noch weitere Zimmer oder eher ein Lagerraum unter dem Dach.
    Allmählich verstummten die Geräusche, Lena sah dem leichten Flackern der Kerzenflamme zu und wurde nun doch dösig. Gewaltsam riss sie ihre Augen auf, denn sie wollte jetzt nicht schlafen.
    Ich sollte versuchen, in der Nacht zu verschwinden ,überlegte sie, schlich zur Tür und lauschte. Nichts war zu vernehmen. Also löschte Lena die Kerze, öffnete die Tür einen Spaltbreit und lugte um die Ecke. Es war stockdunkel, und sie fragte sich, ob sie zur Eingangstür gelangen würde, ohne irgendwo dagegenzustoßen. Behutsam schob sie die Tür ein Stück weiter auf, fuhr jedoch augenblicklich zusammen, als diese laut knarrte. Doch noch mehr erschreckte sie die Stimme aus der linken Ecke des Ganges. »Benötigst du etwas?«
    »Kian?«, japste sie.
    Sie hörte ein Rascheln, glaubte eine Bewegung zu erahnen. Ein schabendes Geräusch ertönte, dann flammte eine Kerze auf. Tatsächlich erhob sich Kian nun von seinem Lager.
    »Schläfst du immer mitten im Gang?«, fuhr Lena ihn an. Sie hätte sich ja denken sollen, dass sie bewacht wurde.
    »Nein, aber nachdem du mein Zimmer bewohnst, schlafe ich hier.«
    »Oh.« Sie räusperte sich und sah ihn herausfordernd an. »Ich muss mal.«
    »Was musst du?«
    »Na, pinkeln, verdammt!« Auf einmal wurde Lena bewusst, dass sie, seitdem sie in Elvancor war, noch gar kein derartiges Bedürfnis verspürt hatte. Andererseits hatte sie aber auch bis heute wenig gegessen und getrunken.
    »Ach, du musst dich erleichtern, sag das doch gleich.« Mit einer Handbewegung bedeutete Kian ihr zu folgen, nahm die Kerze und ging voran.
    Entsetzt stellte Lena fest, dass er sie ins Freie führte. Sie rechnete fest damit, irgendwo in eine Ecke gehen zu müssen, aber er deutete zu einem unscheinbaren viereckigen Gebäude. Dort machte er eine einladende Geste und übergab ihr die Kerze.
    Na toll, ein öffentliches Klo. Lena hielt die Luft an, öffnete die Tür und erwartete einen

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