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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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einen Schrei aus und galoppierte davon.
    »Wer war das?«, wollte Lena wissen.
    »Mein Bruder«, grollte Kian. »Ein entsetzliches Großmaul.«
    Lena streckte sich, um Ruven nachzublicken. Dieser war nur wenige Meter vorangaloppiert, unterhielt sich nun mit einem anderen Mann auf der Kutsche vor ihnen, wobei er immer wieder zu Lena und Kian zurücksah.
    Kian und Ruven besaßen durchaus eine gewisse Ähnlichkeit, allerdings fand Lena Kians Bruder attraktiver. Ruvens Gesicht war ebenmäßiger, weniger kantig als Kians. Die durchtrainierte Statur war ihnen beiden gemein, Ruven mochte noch ein Stück größer sein, doch da er im Sattel saß, konnte das auch täuschen. Alles in allem waren beide Brüder durchaus eine angenehme Erscheinung.
    Verdammt, Lena, der Kerl hat dich entführt ,wies sie sich in Gedanken zurecht. Trotzdem konnte sie Kian nicht wirklich böse sein. Er hatte in dem Glauben gehandelt, sie zu retten, und zumindest war er ihr gegenüber nicht feindselig aufgetreten.
    »Du wärst bestimmt auch lieber geritten«, spekulierte sie nun.
    »Natürlich«, grummelte er. »Ich bin doch kein Greis.«
    »Ich auch nicht«, lachte sie.
    »Es ist uns nicht gestattet zu reiten, weil …« Er unterbrach sich selbst, und Lena ergänzte: »Weil alle Angst haben, ich könnte versuchen zu fliehen.«
    »Hm«, stimmte er zu.
    »Kian«, lachte sie auf, »hier wimmelt es nur so von deinen Leuten. Wie bitte sollte ich fliehen?«
    »Sag das nicht mir, sondern den Ältesten.«
    »Das würde nichts nützen«, vermutete sie.
    »Eben!« Seufzend ließ sich Kian gegen ein Fass sinken und schloss die Augen.
    Lena hingegen besah sich sehr genau die Umgebung. Sofern ihr irgendwann ein Fluchtversuch gelingen sollte, würde sie sich orientieren müssen. Bisher war alles recht übersichtlich. Der Fluss bildete einen wichtigen Anhaltspunkt, und auch wenn sie hin und wieder durch kleine Haine oder Buschland reisten, so war sein Rauschen doch stets zu vernehmen. Die Abstände zwischen den Reisenden auf der Straße wurden zunehmend größer. Lena fiel auf, dass regelmäßig bewaffnete Krieger vorbeipreschten und besonders den Waldrand im Auge behielten.
    Auch Ruven kam noch ein paar Mal vorbei, zwinkerte Lena frech zu, ließ sein Pferd halb steigen und aus dem Stand angaloppieren.
    »Angeber«, meinte sie kopfschüttelnd und musste an Kevin denken – der hatte auch immer sein Auto aufheulen lassen.
    »Du hast ihn durchschaut«, stimmte Kian zu.
    »Ihr mögt euch wohl nicht sehr.« Nachdem sich der Tag mit einer gewissen Eintönigkeit dahinzog, versuchte Lena, mit ihrem Aufpasser ins Gespräch zu kommen.
    »Wir sind Brüder«, entgegnete Kian knapp. Als Lena ihn auffordernd ansah, seufzte er tief, ließ seine Schultern nach vorne sacken und erklärte dann: »Er hat mir schon zwei Mädchen streitig gemacht.«
    »Ach wirklich? Das ist gemein!«
    »Ruven weiß es, Frauenherzen zu gewinnen.« Wütend stocherte Kian mit seinem Dolch in einer Holzspalte herum. »Und das, obwohl er nach mir geboren wurde und weitaus weniger Wert auf seine Kriegerausbildung legt.«
    Lena konnte sich vorstellen, dass der attraktive Ruven bei den Frauen Elvancors gut ankam. Andererseits war er sicher ein ähnlicher Aufschneider wie Kevin. Daher legte sie Kian tröstend eine Hand auf den Unterarm, was ihn überrascht aufsehen ließ. »Wenn sich die Mädchen von ihm haben blenden lassen, waren sie nicht die Richtigen für dich. Oder sie werden irgendwann erkennen, wie dumm sie waren.«
    »Denkst du?« Kians Stirn legte sich in Falten.
    »Ja, bestimmt. Ich bin auch schon einmal auf einen Ruven hereingefallen. Früher oder später bemerkt man seine Fehler.«
    »Hm.« Das schien Kian zum Nachdenken zu bringen, und bis sie endlich anhielten, starrte er nur stumm vor sich hin.
    In der Nähe des Flusses, auf einer grasbewachsenen Lichtung, stellten sie fünf Wagen im Kreis auf. In der Mitte wurde ein Feuer entzündet und Decken auf dem Boden ausgebreitet. Mehrere Krieger postierten sich bei den Bäumen.
    »Mach dich nützlich und hol Wasser«, blaffte Irba Lena an, wobei sie ihr einen Kessel in die Hand drückte.
    Kian öffnete den Mund zu einer Entgegnung, aber Irba unterbrach ihn. »Sie wird wohl kaum hineinspringen und davonschwimmen!«
    Wäre zumindest einen Gedanken wert , sagte Lena bei sich. Sie trat auf das kiesbedeckte Ufer zu. Der Fluss war mit Sicherheit einen Kilometer breit, von zahlreichen Felsen durchsetzt, und überall gab es reißende Strudel. Lena ging in die

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