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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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brachte Lena eine Schüssel voll Suppe, aber auch die vermochte sie nicht wirklich zu wärmen. Das eisige Bad steckte ihr gehörig in den Knochen, und mit der Nacht kroch auch die Kälte vom Fluss herauf. Nebelschwaden waberten im Zwielicht des Abends. Die tiefer gelegenen Gipfel der Berge von Avarinn sahen aus, als wären sie in Flammen getaucht, während die höchsten Bergspitzen Nebel umhüllte. Dies war ein sonderbares Bild, wie Lena es noch nie gesehen hatte. Das waren also die Nebel der Ewigkeit. Außerdem war dieses sanfte Leuchten zu erkennen, ein warmes Gelb, und Lena fragte sich, ob dort wirklich das Jenseits, die Ewigkeit oder der Himmel lag, wie es die meisten Menschen in ihrer Welt bezeichnen würden. Der Gedanke daran war faszinierend. Andererseits erschauderte sie, und sie zog sich die Decke bis an die Nasenspitze.
    »Ist dir kalt?« Kians Stimme holte sie zurück in die Gegenwart.
    »Ja, schon«, gab sie zu. »Ich befürchte nur, meine Kleider sind noch nicht trocken.«
    Zu ihrer Überraschung nahm er seine eigene Decke von den Schultern, legte sie ihr um und saß nun mit nacktem Oberkörper am Feuer. Er war muskulöser, als sie gedacht hatte, ein heller Flaum zierte seine Brust, und einige alte Narben zeugten von seinem Leben als Krieger. Vier dieser Wundmale waren besonders auffällig. Vermutlich waren sie schon lange verheilt, aber dennoch im tanzenden Licht der Flammen deutlich sichtbar. Zudem verliefen sie parallel zueinander.
    »Was war das?«, wollte Lena wissen und hielt sich nur mit Mühe davon ab, über die Narben zu streichen, die sich von der rechten Schulter bis zum Bauchnabel zogen.
    »Eine Bergkatze«, erzählte Kian gelassen. »Ich war noch kaum zum Mann gereift und habe in ihrer Höhle geschlafen. Nur wusste ich nicht, dass sie Junge hat. Natürlich hat sie mich angegriffen, aber ich konnte entkommen.«
    Lena war äußerst dankbar für die zusätzliche Decke, trotzdem hatte sie ein schlechtes Gewissen, denn sie sah, wie sich die Haare an Kians Armen aufstellten und eine Gänsehaut seinen Oberkörper überzog. »Ich kann die Decke nicht annehmen, denn jetzt frierst du.«
    Doch Kian schüttelte energisch den Kopf, verschränkte lediglich die Arme vor der Brust und meinte: »Ich habe ein Hemd für die Triadenfeier bei mir, das kann ich anziehen.« Allerdings machte er keine Anstalten, sich zu erheben.
    »Du musst jetzt nicht den harten Kerl spielen«, stellte Lena klar, löste sich mit leisem Bedauern aus der warmen Decke und gab sie ihm zurück.
    Zunächst wirkte er irritiert, dann rutschte er zu ihrer Überraschung näher an sie heran und legte die Wolldecke um sie beide. »Wir können teilen«, sagte er einfach.
    Im ersten Moment war es ihr unangenehm, daher schaute sie sich verlegen um. Insgeheim fragte Lena sich, was Ragnar wohl denken mochte, würde er sie jetzt hier mit Kian sehen. Beobachtete er sie am Ende schon? Wäre er dann eifersüchtig? Ein verlockender Gedanke, nur leider wahrscheinlich ihren tiefsten Wünschen entsprungen. Aber die Chance, dass Ragnar sie bereits aufgespürt hatte, war ohnehin verschwindend gering. Am Rande des Lichtscheins, der vereinzelt durch die dicht beieinanderstehenden Wagen hindurchschimmerte und den Bereich außerhalb des Lagers erhellte, erkannte Lena Krieger, die dort patrouillierten. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die Tuavinn es wagen würden, sie hier zu befreien und ein Blutbad anzurichten.
    Nachdem Lena ihr Unbehagen beiseitegeschoben hatte, musste sie zugeben, dass Kian eine nicht zu unterschätzende Wärme verströmte, also versuchte sie, sich keine weiteren Gedanken darüber zu machen, was dieses seltsame Band , von dem er und sein Bruder gesprochen hatten, bedeuten mochte.
    »Weshalb halten so viele Krieger Wache?« Lena drehte ihren Kopf zu Kian und sah in dessen verdutztes Gesicht. In seinen Augen war diese Frage sicher ausgesprochen dumm, aber sie wollte es dennoch wissen.
    »Wegen der Rodhakan und zum Schutz vor Räubern aus Crosgan und auch vor den Tuavinn, wenngleich die sich selten hinab in die Ebenen wagen.«
    »Aber Rodhakan sind doch Schattenwesen. Wie könnt ihr sie besiegen?«
    »Gar nicht.« Plötzlich klang Kian sehr bedrückt. »Wir können versuchen, einigen von uns die Flucht zu ermöglichen. Wenige Wachen tragen sogar Waffen, die wir von den Tuavinn erbeutet haben. Sie können die Rodhakan schwächen und verletzen. Dennoch müssen sich stets einige von uns opfern, wenn es zu einem Rodhakan-Angriff

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