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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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jetzt endgültig klar. »Kian, du hast mir das Leben gerettet – danke!«
    Die Falten auf Kians Stirn glätteten sich. »Komm, wir müssen uns umziehen, sonst werden wir krank.«
    Wasser tropfte aus ihrer beider Kleidung, und bei jedem Schritt gluckerte es in Lenas Schuhen, daher zog sie diese aus. Sie hatten sich weiter vom Lager entfernt, als Lena gedacht hatte. Der Fluss musste sie ein ganzes Stück mit sich gerissen haben. Einige Menschen, darunter auch Ureat und Ruven, kamen ihnen entgegengeeilt. Eine alte Frau hatte Decken dabei und reichte ihnen sofort jeweils eine.
    Ruven trug ein breites Grinsen im Gesicht. »Nun hast du ihr schon das zweite Mal das Leben gerettet, Bruder. Dieses Band wird nicht mehr zu durchtrennen sein.« Die Augen des jungen Mannes wanderten interessiert über Lena, aber Kian stieß ihn zur Seite und eilte auf die Wagen zu.
    »Was meinte er damit?«, wollte Lena wissen.
    »Zieh dich um«, blaffte Kian sie ungehalten an.
    »Jetzt sag schon!«
    »Später.« Damit verschwand der Krieger hinter einem der Wagen.
    Lena stand unentschlossen und tropfend zwischen den Menschen. Alle beobachteten sie neugierig, nur eine junge Frau erbarmte sich ihrer und fasste sie am Ärmel.
    »Komm mit, du kannst dich dort drinnen umziehen.«
    Sie führte Lena zu einem Planwagen, in dem Decken, Töpfe und verschiedene Handelswaren gelagert waren. Zunächst entledigte sich Lena ihrer nassen Kleider. Leider fand sie hier nichts, was sie hätte anziehen können. Daher trocknete sie sich lediglich ab, wickelte sich in eine Bahn grauen Stoffes und schlang sich die Decke um die Schultern. Das weite Hemd und den Rock nahm sie mit und hängte sie über die nächstbeste Wagenwand. Die nassen Schuhe stellte sie umgedreht neben die Deichsel. Nachdem es nicht sonderlich kalt war und ein leichter Wind ging, hoffte sie, dass alles möglichst bald trocknen würde. Sie selbst war völlig durchgefroren und begab sich daher zum Feuer in der Mitte der Wagenburg, wo Kian bereits saß. Er trug ebenfalls eine Decke um die Schultern und löffelte mit düsterer Miene einen Becher Suppe.
    »Also, was hat dein Bruder vorhin damit gemeint: Das Band wäre nicht mehr zu durchtrennen?«
    Kian blickte auf. Sein Blick wanderte über all die Menschen und blieb schließlich an Ruven haften. Dieser stand mit anderen jungen Kriegern zusammen und lachte mit ihnen.
    »Bei uns gilt ein Grundsatz«, begann Kian beinahe widerwillig. »Wenn man einem Menschen das Leben gerettet hat, bleibt man auf immer miteinander verbunden.«
    »Oh.« Lena schluckte. »Ich muss dich jetzt aber nicht gleich heiraten, oder?«
    »Heiraten?« Er sprach das Wort so seltsam aus, als hätte er es noch niemals zuvor vernommen.
    »Na, dich zum Mann nehmen, mit dir eine Familie gründen«, erklärte sie und spürte Schamesröte in ihre Wangen steigen.
    Kian betrachtete sie eine Weile stumm, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, dazu besteht keine Verpflichtung. Dieses Band hätte auch bestanden, hätte ich einem Mann das Leben gerettet. Es ist nur so, dass wir nun füreinander verantwortlich sind.« Er zuckte mit den Schultern. »Meist entsteht eine tiefe Freundschaft daraus … oder …« Kian beendete seinen Satz nicht, und obwohl Lena ihn auffordernd ansah, fuhr er nicht fort, sondern räusperte sich und blickte erneut zu seinem Bruder hinüber. »Ruven wird versuchen, Zwietracht zwischen uns zu säen.«
    »Weshalb sollte er das?«
    »Weil er es nicht ertragen kann, wenn ich etwas habe, was er nicht besitzt.«
    »Dieses … Band?«, hakte Lena vorsichtig nach.
    »Richtig. Du wirst mir ebenfalls das Leben retten, sollte das vonnöten sein.«
    »Ach ja?« Lena zog sich die Decke enger um die Schultern und dachte: Wo bin ich da nur hineingeraten? Trotzdem musste sie sich eingestehen, dass ihr Kian nicht unsympathisch war. Abgesehen davon war sie ihm wirklich dankbar, trotzdem war sie fest entschlossen, so bald wie möglich zu Ragnar und den anderen zurückzukehren – und die waren ja, wie es aussah, Feinde von Kians Volk.
    »Du, Kian, nicht dass es mir grundsätzlich etwas ausmachen würde, in deiner Schuld zu stehen«, begann sie zögernd. »Aber ich bin keine Kriegerin.«
    Seine haselnussfarbenen Augen hielten sie gefangen, eine ganze Weile sprach er gar nicht. »Es gibt viele Möglichkeiten, ein Leben zu retten«, sagte er schließlich leise.
    Ohne weiter zu sprechen, starrten sie in die Flammen, während die Dunkelheit langsam über den Horizont kroch. Ein kleines Mädchen

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