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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Sternenbilder tanzten vor ihren Augen, bildeten einen flimmernden Reigen, bevor Lena in einen tiefen Schlaf fiel.
    Pferdeschnauben und Stimmen weckten Lena auf. Sie blinzelte und streckte sich. Außer ihr selbst lag niemand mehr um die erkaltete Feuerstelle herum. Die Sonne kroch gerade über den östlichen Horizont, vom Fluss her stieg leichter Nebel auf, und auch in den Bergen von Avarinn hing er. Eifrige Geschäftigkeit herrschte, die Menschen brachen ihr Lager ab oder wanderten bereits auf der Straße entlang, und Lena war es unangenehm, so lange geschlafen zu haben.
    »Einen Becher Tee für die edle Dame?« Auf einmal stand Ruven hinter ihr, über das ganze Gesicht strahlend, einen Tonbecher in der Hand.
    »Mal abgesehen davon, dass ich keine edle Dame bin, gerne.« Sie nahm den Tee und nippte daran. Er schmeckte nicht schlecht, nach Kräutern und vielleicht einer Beerenart.
    »Ich dachte, du weißt nicht, wer du bist.« Ruven beugte sich zu ihr hinab und nahm eine ihrer Haarsträhnen zwischen seine Finger. »Am Ende gar eine Fürstin aus Ceadd.«
    »Wohl kaum.« Energisch wandte sie sich von ihm ab, zupfte den Stoff zurecht, der ihr während des Schlafens verrutscht war, und sah sich nach Kian um.
    »Ich könnte heute in eurer Nähe Patrouille reiten«, redete Ruven weiter auf sie ein, »damit du in Sicherheit bist.«
    »Nicht nötig«, wehrte Lena ab, dann begab sie sich zu ihren Kleidern. Die Bluse war erfreulicherweise getrocknet, der Rock an einigen Stellen noch feucht, aber das war allemal besser, als hier weiterhin mit diesem Stofffetzen herumzulaufen. Also nickte sie Ruven noch einmal zu und verschwand dann im Inneren des Wagens.
    »Oh, Verzeihung.«
    Die alte Irba kramte gerade zwischen den Waren herum, und ihr Gesicht verzog sich unwillig, als sie Lena erkannte.
    »Du wolltest wohl etwas stehlen?«
    »Nein, ich will mich umziehen.«
    »Hm.« Die Alte setzte sich auf eine Truhe, schnaubte misstrauisch und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Lena sah sie auffordernd an, aber Irba machte keine Anstalten zu gehen. »Ich würde mich gerne allein umziehen.«
    »Und ich würde gerne auf unsere Ware achten«, krächzte Irba, und als Lena zu einer empörten Entgegnung Luft holte, sagte sie säuerlich: »Ich werde nichts entdecken, was ich nicht schon einmal gesehen habe!«
    Auch wenn das der Wahrheit entsprechen mochte, so war es Lena peinlich, sich vor dieser garstigen Frau auszuziehen. Nachdem Irba aber mit trotzigem Gesichtsausdruck an Ort und Stelle verharrte, drehte ihr Lena schließlich den Rücken zu und streifte sich zuerst das Hemd über den Kopf. Zumindest reichte es bis fast zu den Knien, daher schälte sie sich aus der Stoffbahn, ließ diese zu Boden fallen und schlüpfte in den unförmigen Rock.
    »An dir ist ja kaum etwas dran«, lästerte Irba. »Kein Mann wird auf Dauer an dir Gefallen finden.«
    »Das ist Geschmackssache«, schoss Lena zurück, zurrte sich energisch den Rock mit dem Seil fest und fügte dann trocken hinzu: »Nicht jeder kann Euter wie eine Kuh haben.« Demonstrativ blickte sie auf Irbas erschlaffte Brüste, bei denen man selbst unter der braunen Tunika erkannte, dass sie ihr bis zum Bauchnabel hingen. Die alte Frau schnappte empört nach Luft, und als Lena ins Freie sprang, folgte ihr nicht nur ein gekeiftes: »Einst war ich die begehrteste Frau Talads!«, sondern auch ein tönerner Krug. Dieser verfehlte sie zwar, streifte allerdings Ruven, ehe er am Boden zerschellte.
    »Autsch!« Anscheinend hatte der junge Mann auf sie gewartet. Er rieb sich kurz die Schulter, dann fasste er Lena an der Hand. »Komm, Irba ist ein garstiges Weib.« Tatsächlich tauchte nun der hochrote Kopf der alten Frau auf, daher ließ sich Lena ohne Gegenwehr mitziehen. Zu gern hätte sie noch ihre Schuhe geholt, aber sie wollte Irbas Schimpftirade entgehen.
    Lachend hielt Ruven hinter einem Wagen an. »Ich habe euer Gespräch belauscht.«
    »Das ist nicht sehr höflich.« Lena zog sich einen Stachel aus ihrem Fuß, dann sah sie zu Ruven auf, der nicht allzu schuldbewusst schien.
    »Du hast recht.«
    »Womit?«
    »Ich weiß, die Götter werden mich strafen, wenn ich so spreche.« Er verneigte sich in Richtung der Berge. »Aber Irbas Brüste gleichen den Eutern einer alten, ausgemergelten Kuh.«
    Ungewollt entfuhr Lena ein Glucksen, und Ruvens Augen musterten sie in höchst anzüglicher Weise. »Ich mag straffe, wohlgeformte Frauen.«
    »Jetzt pass mal auf«, Lena stützte die Hände in die Hüften,

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