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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Rehe, deren Geweihe allerdings eher an die von Elchen erinnerten, zogen über das Grasland. Die Straße nach Ceadd wand sich durch eine atemberaubende Landschaft, vorbei an kleinen Seen, manche türkisblau, andere erinnerten an schwarze Opale, durch kleine Wäldchen und von unzähligen Wildblumen übersäte Täler.
    Über die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt konnte sie nur staunen und musste sich sehr zusammennehmen, um nicht ständig mit weit aufgerissenen Augen alles anzustarren.
    »Lebt hier überhaupt kein Mensch?«, erkundigte sich Lena, nachdem sie nach dem dritten Tag noch immer auf keine Dörfer oder Städte getroffen waren. Ihre Fluchtpläne hatte sie inzwischen aufgegeben, denn sowohl Kian als auch die anderen Menschen hier hielten ständig ein Auge auf sie. Vielleicht würde es ihr auf der Rückreise, in der Nähe von Talad gelingen, in die Berge zu entkommen – oder Ragnar spürte sie endlich auf.
    »Früher schon, jetzt sind sie alle in die Städte geflohen, weil sie vor den Rodhakan Angst haben.«
    »Aber bisher gab es doch kein Zeichen von ihnen«, erwiderte Lena verwundert.
    »Wir hatten Glück«, bemerkte Kian einfach. »Wir reisen in Gruppen auf unterschiedlichen Wegen nach Ceadd. Die einen in Richtung Westen, wir am Fluss entlang, manche Reiter gar durch die Berge.«
    »Dann denkst du …« Lena wagte es nicht, den Satz zu beenden.
    »Nicht alle werden Ceadd erreichen«, bestätigte Kian, wobei er keinerlei Emotionen erkennen ließ.
    »Ja, aber – weshalb in aller Welt reist ihr dann immer wieder nach Ceadd? Die Rodhakan müssen doch von diesem Triadenfest wissen und dann besonders wachsam sein.«
    Mit einem Mal bekamen Kians Augen einen kalten Ausdruck. »Weil sie dann endgültig gewonnen hätten. Weil sie dann ihr Ziel erreichen – uns eingepfercht wie Vieh in den Städten halten und diejenigen verschlingen, die sich doch noch hinauswagen. Nein, Lena, das lassen wir nicht zu!«
    Auch wenn ein Teil von ihr Kian verstand, so musste sie doch hart schlucken, wenn sie sich bewusst machte, dass vielleicht in diesem Augenblick Menschen von den Rodhakan verschleppt wurden. Außerdem bekam sie Angst, und ihr wurde plötzlich bewusst, dass hinter jeder Biegung, jedem Hügel die Schattenkreaturen lauern konnten.
    Jetzt lächelte Kian wieder, als hätte er ihre Gedanken erraten. »Wir werden auf dich achten – ich werde auf dich achten.«
    Dieses Versprechen erschien Lena in Anbetracht der Bedrohung durch die Schattenwesen wenig beruhigend, auch wenn sie nicht an Kians gutem Willen zweifelte – nicht nach der Sache am Fluss. Wenn nur Ragnar, Maredd und die anderen hier wären ,dachte sie voller Sehnsucht, suchte den Horizont nach einem Zeichen der Krieger mit ihren Pferden ab, fürchtete sich aber auch gleichzeitig davor, da dies einen Kampf bedeuten würde.
    »Ragnar, du bist der Einzige, der unbemerkt in Talad eindringen kann. Aber Junge«, beschwor ihn sein Großvater, »du darfst nicht unbedacht handeln, sofern du herausfindest, dass Lena hier gefangen gehalten wird.« Große Besorgnis stand in Maredds grauen Augen, und Ragnar war sich bewusst, wie berechtigt diese Sorge war.
    Wenn er daran dachte, dass Menschen aus Talad Lena entführt hatten, brodelte auf der Stelle unbändiger Hass in ihm. Er wollte niemanden grundlos töten, aber er würde auch nicht zögern, es zu tun, wenn es nötig sein sollte.
    »Ich werde aufpassen.« Ragnar zog sich seine Kapuze weit ins Gesicht, hatte ein einfaches graues Hemd über seinen Lederharnisch gezogen, das Tuavinn-Schwert mit den aufwendigen Gravierungen in der unscheinbaren Scheide versteckt. Einen Bogen wollte er nicht mitnehmen, denn der wäre ihm in den engen Gassen und Straßen Talads kaum von Nutzen. Unglücklicherweise herrschte kein großer Andrang am Tor, lediglich zwei halbwüchsige Jungen trieben eine Herde Schafe in die Stadt, eine alte Bäuerin zog einen Gemüsekarren hinter sich her. Ragnar wäre es lieber gewesen, er hätte sich in eine größere Gruppe einreihen und ohne Aufsehen zu erregen durch das Wachtor gelangen können. Doch vermutlich befanden sich viele auf dem Triadenfest, denn die Stadt war so gut wie menschenleer. Nachdem ihm keine andere Wahl blieb, trat er neben der alten Frau durch das Tor.
    Ein junger Krieger mit einer Lanze stellte sich ihm in den Weg. »Zeig mir dein Gesicht.«
    Langsam schob Ragnar seine Kapuze ein Stück zurück. Er wollte es vermeiden, dass man seine silbergrauen Haare sah. Natürlich gab es auch Menschen

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