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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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ruckartig. »Also, Leute, tut mir leid, ich bin jetzt wirklich müde.« Zum Glück senkte sich die Dämmerung tatsächlich langsam herab.
    »Ja, natürlich.« Aus seiner Erzählung gerissen, blickte Ragnar zu ihr auf. »Soll ich dich zu Amelias Hütte begleiten?«
    »Nein, nicht nötig. Gute Nacht.«
    Lena musste sich wirklich sehr anstrengen, nicht zu rennen, sie hörte noch, wie auch Aravyn und die anderen ihr einen erholsamen Schlaf wünschten, schaffte es jedoch nicht, sich noch einmal umzudrehen. Jetzt bahnten sich die Tränen unaufhaltsam ihren Weg, und nachdem sie – so hoffte sie zumindest – außer Sichtweite war, rannte sie nicht zu Amelias Hütte, sondern fort von der kleinen Siedlung. Hinter einem Felsen ließ sie sich nieder, versteckte den Kopf in den Knien und weinte hemmungslos. All die Wut, alle Enttäuschung brachen aus ihr heraus, und am liebsten wäre sie die ganze Nacht hiergeblieben. Doch irgendwann versiegten die Tränen, und Lena wusste, man würde sie suchen, wenn sie nicht bald zurückging. Also wusch sie sich das Gesicht an der Quelle, die unweit der Höhle aus dem Fels sprudelte, und ging dann in weitem Bogen um den Platz herum zu Amelias Hütte. An der Stelle, wo zuvor gekocht worden war, erhellten jetzt zwei Feuerstellen die Nacht, fröhliche Stimmen schallten herüber. Lena hoffte, niemandem über den Weg zu laufen, aber Amelia saß im sanften Schein eines der besonderen Kristalle vor der Hütte und flickte ein Hemd.
    »Lena, wo warst du denn?«
    Eilig ließ Lena ihre Haare vors Gesicht fallen, aber offenbar hatte Amelia schon genug gesehen. Sie sprang auf und nahm sie in den Arm. »Aravyn, du hast sie kennengelernt«, seufzte Amelia.
    »Was … ich … du weißt …« Verlegen fuhr sich Lena über die Augen. Natürlich war es närrisch gewesen anzunehmen, dass das kalte Wasser die Spuren auf ihrem verheulten Gesicht vollständig verwischt hatte.
    »Ach Lena, ich habe gleich gespürt, wie viel Ragnar dir bedeutet«, sagte sie mitleidig und streichelte ihr tröstend über die Haare. »Und glaub mir, du bist ihm ebenfalls sehr wichtig.«
    Ein bitteres Lachen entstieg Lenas Kehle. »Aravyn ist seine Anam Cara – sagt das nicht alles?«
    »Das ist nicht gewiss. Sie sind den endgültigen Bund noch nicht eingegangen.«
    Nun horchte Lena auf. »Ich dachte, man weiß es instinktiv, wenn man seinen Anam Cara trifft.«
    »Bei Tuavinn mit Menschenblut ist das anders. Häufig benötigen sie eine lange Zeit, um sich wirklich sicher zu sein, ob derjenige auch wirklich ihr Seelenfreund ist.«
    »Und wenn schon. Gegen die habe ich doch ohnehin keine Chance!«
    »Wie kommst du auf diesen Gedanken?«
    Lena schnaubte verächtlich aus. »Sieh sie dir doch nur an. Die tollen langen Haare, ihre Figur. Sie ist eine Kriegerin, zum Teil Tuavinn, so wie Ragnar.« Sie fuchtelte in der Luft herum, da schon wieder Tränen der Wut in ihr aufstiegen.
    »Lena, mach dich nicht verrückt.« Amelia drückte sie an sich, und auch wenn Lena sich zunächst versteifte, tat ihr nach ein paar Sekunden des Widerstands der Trost doch gut.
    »Im Augenblick ist Ragnar verliebt, fasziniert von Aravyn. Aber Verliebtheit hat mit wahrer Liebe nichts zu tun und ist weit entfernt von dem, was eine Verbindung mit seinem Anam Cara ausmacht.«
    »Woran erkennt man denn letzten Endes seinen Seelenfreund?«, wollte Lena schließlich wissen.
    Amelia schob Lena ein Stück von sich, musterte sie und wies dann auf einen weiteren Holzstuhl, der vor dem Kristall stand.
    Lena zögerte, ließ sich jedoch nieder, und auch Amelia setzte sich neben sie auf den anderen Stuhl. Ein wenig verträumt blickte sie in den leuchtenden Stein, dessen Licht Amelias braune Haare mit einem sanften Schimmer überzog. Lena glaubte schon, sie würde gar nichts mehr sagen, doch dann begann sie leise zu sprechen. »Wenn du jemanden sehr gernhast oder ihn liebst, dann füllt diese Liebe dich aus. Du hast das Gefühl, dass ihr Leuchten jeden noch so verborgenen Winkel deines Inneren erhellt. Wenn du aber deinem Anam Cara begegnest«, Amelia sog die Nachtluft wie eine schwere süße Flüssigkeit ein, »ich meine, wenn du ihm vollständig begegnest, also auch innerlich, dann stellst du fest, dass es in dir noch viel mehr gibt. Wo du dachtest, die Liebe hätte in dir bereits alles durchdrungen, findest du plötzlich noch eine Wand. Eine Wand, hinter der ein Geheimnis verborgen liegt und die zu Staub zerfällt, sobald der Gefühlssturm, den dein Seelenfreund in dir

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