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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen sollte, werde ich mich wohl bei ihm entschuldigen müssen.«
    Plötzlich war ein summender, aufgeregter Laut zu hören; er kam aus der rauchgeschwängerten Luft über der Stadt. Das Geräusch wurde lauter. Die ruhige Wasserfläche des Abteufer-Sees verschwand hinter etwas, das wie ein Nebel aus Hagelkörnern aussah.
    Felisin kauerte sich furchtsam noch tiefer zusammen. »Was ist das? Was ist da los?«
    Heboric schwieg einen Moment lang; plötzlich zischte er: »Blutfliegen! Das Feuer hat sie zuerst angezogen und dann verjagt. Schnell, Mädchen, nimm den Schlamm – schmier dich damit ein. Und dann mich. Beeil dich!«
    Glitzernde Wolken aus Insekten kamen in Sicht, rasten wie Nebelböen dahin.
    Hektisch grub Felisin ihre Finger in den kühlen Schlamm zwischen den Riedstängeln, klatschte sich dann eine Hand voll nach der anderen auf den Hals, die Arme, das Gesicht. Noch während sie damit beschäftigt war, kroch sie langsam auf den Knien vorwärts, bis sie am Ufer im Wasser saß. Dann drehte sie sich zu Heboric um. »Komm näher heran!«
    Er kroch hastig an ihre Seite. »Sie tauchen durchs Wasser, Mädchen. Du musst hier weg – schmier deine Beine mit Schlamm ein!«
    »Wenn ich mit dir fertig bin«, sagte sie.
    Aber es war schon zu spät. Schlagartig hüllte eine Wolke sie ein, sodass sie kaum noch atmen konnten. Blutfliegen schossen wie Pfeile ins Wasser. Stechende Schmerzen zuckten durch ihre Schenkel.
    Heboric stieß ihre Hände zur Seite, duckte sich. »Kümmere dich um dich selbst, Mädchen!«
    Der Befehl war unnötig, da jeder Gedanke, Heboric zu helfen, schon mit dem ersten grausamen Stich verschwunden war. Felisin sprang aus dem Wasser, grub mit den Händen im Schlamm und klatschte ihn auf ihre blutverschmierten Schenkel. Schnell machte sie weiter, schmierte Schlamm auf ihre Waden, ihre Knöchel, ihre Füße. Insekten krabbelten in ihren Haaren. Wimmernd versuchte sie sie abzustreifen, schaufelte sich wie rasend Schlamm auf den Kopf. Sie holte Luft – und dann waren die Blutfliegen in ihrem Mund, stachen zu, noch während sie würgte und spuckte. Sie spürte, wie sie sie zerbiss, zermalmte, und der bittere Saft brannte wie Säure. Sie waren überall, sammelten sich in wimmelnden Klumpen um ihre Augen, blendeten sie. Schreiend kratzte sie sie weg, griff nach unten, holte mehr Schlamm, immer mehr Schlamm. Kühlende Dunkelheit, doch ihr Schreien hörte nicht auf, würde nicht aufhören. Die Insekten waren an ihren Ohren. Sie stopfte Schlamm hinein. Endlich war es still.
    »Es ist alles in Ordnung, Mädchen – alles in Ordnung.« Heborics Stimme schien von weit her zu kommen, doch er saß ganz nah bei ihr, die handlosen Arme eng um sie geschlungen. »Du kannst jetzt aufhören zu schreien, Felisin. Du kannst jetzt aufhören.«
    Sie hatte sich inmitten des Schilfs zu einem Ball zusammengerollt. Der Schmerz, den die Stiche verursachten, verwandelte sich allmählich in ein Taubheitsgefühl – an den Beinen, um ihre Augen und Ohren, in ihrem Mund. Kühle, sanfte Taubheit. Sie hörte, wie sie verstummte.
    »Der Schwarm zieht vorbei«, sagte Heboric. »Die Berührung von etwas, das Feners Gnade erfahren hat, ist ihnen wohl zu heftig. Es ist alles in Ordnung, Mädchen. Wisch dir die Augen sauber und sieh selbst.«
    Sie rührte sich nicht. Es war leicht, einfach nur still dazuliegen, während sich das Taubheitsgefühl in ihrem Innern ausbreitete.
    »Wach endlich auf!«, schnappte Heboric. »In jedem Stich ist ein Ei, und jedes dieser Eier sondert ein Gift ab, ein betäubendes Gift, das dein Fleisch verwandelt. In etwas Weiches, etwas Totes. Als Nahrung für die Larven in den Eiern. Verstehst du mich, Mädchen? Wir müssen diese Eier töten – ich habe eine Tinktur in der Tasche an meinem Gürtel –, aber du musst sie selbst auftragen, hast du verstanden? Ein alter Mann ohne Hände kann das nicht für dich tun ...«
    Sie stöhnte.
    »Wach auf, verdammt noch mal!«
    Er schüttelte sie, stieß sie an, trat sie. Fluchend setzte Felisin sich auf. »Hör auf damit! Ich bin wach!« Die Worte klangen undeutlich; ihr betäubter Mund konnte sie nur mit Mühe formen. »Wo ist der Beutel?«
    »Hier. Mach die Augen auf!«
    Sie konnte durch die geschwollenen Lider kaum etwas sehen, doch ein seltsamer blauer Schimmer, der von Heborics Tätowierungen aufstieg, beleuchtete die Szene. Er war nicht gestochen worden. Die Berührung von etwas, das Feners Gnade erfahren hat, ist ihnen wohl zu

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