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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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bedurft, dem er sich jetzt näherte, um ihn von dem Baum loszureißen.
    Er war jung gewesen, als er die Handelsstadt verlassen hatte, die sein Heim gewesen war. Wie so viele in seinem Alter war er damals in einer fieberhaften, rückwärts gewandten Bewegung gefangen gewesen, die die verrottende Unbeweglichkeit der Trell-Städte und der älteren Krieger ablehnte, welche Händler geworden waren und mit Bhederin, Ziegen und Schafen handelten – und nun in den zahllosen Tavernen und Schänken in Gedanken noch einmal auf ihren kriegerischen Pfaden wandelten. Er sehnte sich nach dem Nomadenleben von früher und unterzog sich willentlich dem Aufnahmeritual in einem Hinterland-Clan, der die Bräuche beibehalten hatte.
    Die Ketten seiner Überzeugung hatten Hunderte von Jahren gehalten, und als sie schließlich brachen, geschah dies in einer Art und Weise, die er niemals hätte vorhersehen können.
    Seine Erinnerungen waren noch immer klar und deutlich, und so schritt er im Geiste einmal mehr über die Ebene. Jetzt kamen die Ruinen der Handelsstadt, in der er geboren worden war, in Sicht. Ein Monat war seit der Zerstörung der Stadt vergangen. Die Aasfresser der Ebene hatten die Leichen der Fünfzehntausend, die hier getötet worden waren – und die nicht in den wütenden Feuern verbrannt waren –, schon längst sauber abgenagt. Er kehrte nach Hause zurück, zu gebleichten Knochen, Kleidungsfetzen und in der Hitze geborstenen Ziegeln.
    Die alten Schulterfrauen des Clans, der ihn adoptiert hatte, hatten die Geschichte aus den flachen Knochen geweissagt, die sie verbrannt hatten, genau wie es die Namenlosen bereits Monate zuvor prophezeit hatten. Auch wenn die Trells in den Städten für sie alle zu Fremden geworden waren, so waren sie doch auch Verwandte, waren vom gleichen Blut. Bei dem Auftrag, der erledigt werden musste, ging es allerdings nicht um Rache. Diese Ankündigung ließ die vielen Gefährten verstummen, die wie Mappo in der zerstörten Stadt geboren worden waren. Ganz im Gegenteil, derjenige, der für die vor ihm liegende Aufgabe auserwählt wurde, musste von allen Gedanken an Rache geläutert sein. So lauteten die Worte der Namenlosen, die diesen Augenblick vorhergesehen hatten.
    Mappo verstand noch immer nicht, warum ausgerechnet er ausgewählt worden war. Er glaubte, er wäre nicht anders als die anderen Krieger um ihn herum. Rache war Nahrung, mehr als Fleisch und Wasser; tatsächlich war sie der Grund zu essen und zu trinken. Das Ritual, das ihn reinigen würde, würde gleichzeitig alles zerstören, was er war. Du wirst ein unbemaltes Fell sein, Mappo. Die Zukunft wird ihren eigenen Text mit sich bringen, wird deine Geschichte neu schreiben und formen. Was der Stadt deiner Verwandten zugestoßen ist, darf niemals wieder geschehen. Du wirst dafür Sorge tragen. Verstehst du das?
    Äußerungen von entsetzlicher Notwendigkeit. Doch wenn die schreckliche Zerstörung seiner Geburtsstadt nicht gewesen wäre, hätte Mappo sich über sie alle hinweggesetzt. Er war die Hauptstraße mit ihrem zügellos wuchernden Teppich aus Unkraut und Wurzeln entlanggegangen und hatte von der Sonne gebleichte Knochen zu seinen Füßen schimmern sehen.
    In der Nähe des runden Marktplatzes entdeckte er eine Namenlose, die ihn erwartete; sie stand in der Mitte der freien Fläche, ihre ausgeblichenen grauen Gewänder bauschten sich im Wind, die Kapuze war zurückgeschlagen und enthüllte das strenge Gesicht einer Frau. Helle Augen richteten sich auf ihn, als er näher kam. Der Stab, den sie in einer Hand hielt, schien sich in ihrem Griff zu winden.
    »Wir betrachten die Dinge nicht in Jahren«, zischte sie.
    »Sondern in Jahrhunderten«, erwiderte Mappo.
    »Es ist gut. Und nun, Krieger, musst du lernen, das Gleiche zu tun. Die Ältesten deines Volkes werden es so verfügen.«
    Der Trell blickte sich langsam um, blinzelte zu den Ruinen hinüber. »Es sieht mehr nach einer Armee von Räubern aus – man erzählt sich, dass es südlich von Nemil welche geben soll...«
    Ihr Schnauben überraschte ihn; es zeugte von unverhohlener Verachtung. »Eines Tages wird er nach Hause zurückkehren, genau wie du es hier und jetzt getan hast. Bis dahin musst du ihn begleiten ...«
    »Warum ich, verdammt noch mal?«
    Ihre Antwort bestand aus einem kaum merklichen Schulterzucken.
    »Und wenn ich mich widersetze?«
    »Selbst dazu, Krieger, ist Geduld vonnöten.« Sie hob den Stab, und die Geste zog seinen Blick an. Das sich windende, ausschlagende Holz

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