Das Reich der Sieben Städte
schwächer wurde.
Ein weiterer Angriff kam, als sie schon mitten zwischen den tobenden Brechern waren, und durchbrach Kulps Verteidigung. Flammen tanzten über den Sturmklüver, die Leinen, das Segel. Wären die Männer trocken gewesen, so wären sie zu lebenden Fackeln geworden. So wogte die Zauberei nur in einer Woge aus zischendem Dampf über sie hinweg, raste weiter, krachte ans Ufer und rollte über den Strand, bis sie verpuffte.
Kulp hatte halbwegs erwartet, dass der merkwürdig gedämpfte Effekt an diesem Teil der Küste irgendwie etwas mit dem Mann zu tun haben könnte, den zu finden er ausgeschickt worden war. Daher war er nicht überrascht, hinter dem Strand drei Gestalten aus dem Dämmerlicht auftauchen zu sehen. So müde er auch war, ließ doch etwas in der Art und Weise, wie die drei beieinander standen, in seinem Kopf Alarmglocken ertönen. Die Umstände hatten sie zusammengeführt, und es gab keine freundschaftlichen Bande, auf die der Eigennutz hätte Rücksicht nehmen müssen. Doch da war noch mehr.
Der feste Boden unter seinen Füßen machte Kulp schwindlig. Als sein müder Blick auf den handlosen Priester fiel, durchströmte ihn eine Woge der Erleichterung, und sein Hilferuf war keineswegs ironisch gemeint.
Der ehemalige Priester antwortete mit einem krächzenden Lachen.
»Sorg dafür, dass sie Wasser bekommen«, sagte der Magier zu Gesler. Der Korporal riss den Blick von Heboric los, was ihm nicht leicht zu fallen schien, nickte und drehte sich um. Wahr hatte sich ins Wasser geschwungen, um den Rumpf der Ripath auf Schäden zu untersuchen, während Stürmisch im Bug hockte und seine Armbrust wie ein Kind in den Armen wiegte. Der Korporal brüllte nach einem der Wasserfässer. Wahr kletterte zurück ins Boot, um es zu holen.
»Wo ist Duiker?«, fragte Heboric.
Kulp runzelte die Stirn. »Ich weiß es nicht. Unsere Wege haben sich in einem Dorf nördlich von Hissar getrennt. Die Apokalypse...«
»Wir wissen Bescheid. In der Nacht, in der wir der Grube entkommen sind, hat Dosin Pali in Flammen gestanden.«
»Oh, ja.« Kulp musterte die beiden anderen. Der große Mann, dem ein Ohr fehlte, erwiderte kalt seinen Blick. Obwohl man ihm die Entbehrungen der letzten Wochen ansehen konnte, zeigte er ein Maß an Selbstkontrolle, das in dem Magier ein unbehagliches Gefühl aufsteigen ließ. Er war eindeutig mehr als nur der narbenübersäte Schläger aus irgendeinem Hafenviertel, für den Kulp ihn zuerst gehalten hatte.
Von dem jungen Mädchen ging etwas nicht minder Verstörendes aus, wenn Kulp auch unmöglich hätte definieren können, was es war. Er seufzte. Mach dir darüber später Gedanken. Mach dir über alles später Gedanken.
Wahr kam mit dem Wasserfass, dicht gefolgt von Gesler.
Als der junge Soldat das Fass aufmachte und den Zinnbecher, der daran festgebunden war, voll Wasser laufen ließ, wurde er augenblicklich von den drei Flüchtlingen umringt.
»Geht vorsichtig damit um«, sagte Kulp. »Nehmt nur kleine Schlückchen, keine großen Schlucke.«
Während er ihnen beim Trinken zusah, tastete der Magier nach seinem Gewirr. Es fühlte sich schlüpfrig an und war schwer zu fassen, doch schließlich war er in der Lage, es festzuhalten und ihm Macht zu entziehen, um seine Sinne zu schärfen. Als er dann Heboric erneut ansah, hätte er beinahe vor Überraschung laut aufgeschrien. Die Tätowierungen des Priesters waren von einem eigenen Leben erfüllt. Flackernde Wolken der Macht rasten über seinen Körper und woben eine geisterhafte Hand an den Stumpf seines linken Arms. Diese Geisterhand griff in ein Gewirr, und sie war zur Faust geballt, als hielte sie sich an einem Halteseil fest. Um den rechten Stumpf pulsierte eine gänzlich andere Macht. Grüne und rote Fäden wirbelten umeinander, als würden sich zwei Schlangen im tödlichen Zweikampf winden. Der dämpfende Effekt kam ausschließlich von den grünen Streifen, die ihm willentlich nach außen abstrahlten, als hätten sie ein eigenes Bewusstsein. Es war geradezu erstaunlich, dass es stark genug war, die Wirkung des Otataral zurückzudrängen.
Heiler, die auf das Denul-Gewirr zurückgriffen, beschrieben Krankheiten oft als Krieg; der Körper war das Schlachtfeld, und ihr Gewirr verlieh ihnen die Fähigkeit, ihn als solches zu erkennen. Kulp fragte sich, ob er hier nicht gerade etwas Ähnliches zu sehen bekam. Aber es ist keine Krankheit. Ein Krieg der Gewirre – da ist zum einen Feners eigenes, durch eine geisterhafte Hand mit dem
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