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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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heranzischenden Schwert hatte den Sappeur hinter den Angreifer und aus seiner Reichweite gebracht. Die Rote Klinge hatte sich nicht damit aufgehalten, ihn zu verfolgen, sondern sich stattdessen der nächsten unglücklichen Bürgerin zugewandt – einer Frau, die verzweifelt versuchte, zwei Kinder aus dem Weg des Pferdes zu zerren – und sie enthauptet.
    Fiedler schüttelte sich und fluchte lautlos vor sich hin. Er schob sich durch die dicht gedrängte Menge auf die Gasse zu, in der der Zuhälter verschwunden war. Der enge Durchgang lag im Schatten der zu beiden Seiten aufragenden großen, sich nach vorn neigenden Gebäude. Verrottende Essensreste und etwas Totes, das verweste, sorgten für einen durchdringenden Gestank. Niemand war zu sehen, als Fiedler sich vorsichtig vorwärts tastete. Er kam an einen Seitengang zwischen zwei hohen Mauern, der kaum breit genug für ein Maultier war, und in dem kniehoch vertrocknete Palmblätter lagen. Auf der anderen Seite der hohen Mauern befand sich jeweils ein Garten, und die Wedel der mächtigen Palmen auf beiden Seiten hatten sich miteinander verflochten und bildeten so in vielleicht zwanzig Fuß Höhe ein Blätterdach. Dreißig Schritte weiter erwies sich der Durchgang als Sackgasse, und dort hockte der Zuhälter; mit dem einen Knie drückte er das jüngere der beiden Mädchen zu Boden, während er das andere gegen eine Wand drängte und an ihrer Hose herumfummelte.
    Der Kopf des Zuhälters ruckte herum, als er die trockenen Blätter unter Fiedlers Schritten rascheln hörte. Er hatte die helle Haut eines Skrae und bleckte die schwarzen Zähne zu einem wissenden Grinsen. »Für 'nen halben Jakata kannst du deinen Spaß mit ihr haben, Gral, wenn ich sie erst mal ausgepackt habe. Die andere ist teurer, denn sie ist jünger.«
    Fiedler trat auf den Mann zu. »Ich kaufe«, sagte er. »Die Frauen. Zwei Jakatas.«
    Der Zuhälter schnaubte. »Ich würde in einer Woche das Doppelte machen. Sechzehn Jakatas.«
    Fiedler zog das Langmesser der Gral, das er eine Stunde zuvor gekauft hatte, und hielt dem Zuhälter die Klinge an die Kehle. »Zwei Jakatas und meine Gnade, Simharal.«
    »Abgemacht, Gral«, quetschte der Zuhälter mit weit aufgerissenen Augen heraus. »Abgemacht, beim Vermummten!«
    Fiedler zog zwei Münzen aus seinem Gürtel und warf sie auf den Boden, mitten zwischen die Palmwedel. Dann trat er einen Schritt zurück. »Ich nehme sie gleich mit.«
    Der Simharal ließ sich auf die Knie fallen, scharrte zwischen den trockenen Blättern herum. »Nimm sie, Gral, nimm sie.«
    Fiedler grunzte, steckte das Messer wieder in die Scheide und klemmte sich die beiden Mädchen links und rechts unter die Arme. Er drehte dem Zuhälter den Rücken zu und ging durch das Gässchen zurück. Die Möglichkeit, dass der Mann irgendeinen Verrat versuchen würde, war so gering, dass sie praktisch nicht existierte. Gral-Stammeskrieger bettelten manchmal regelrecht um Beleidigungen, die ihnen einen Grund liefern würden, ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: Blutrache zu üben. Und es war bekanntermaßen unmöglich, sich von hinten an einen Gral heranzuschleichen, deshalb versuchte es auch niemand. Dennoch war Fiedler dankbar für den dicken Teppich aus trockenen Blättern, der sich zwischen ihm und dem Zuhälter befand.
    Er verließ die Gasse. Die Mädchen hingen wie viel zu große Puppen unter seinen Armen, noch immer betäubt vom Schock. Er schaute der Älteren ins Gesicht. Sie mochte vielleicht neun, zehn Jahre alt sein und starrte aus weit aufgerissenen dunklen Augen zu ihm empor. »Ihr seid jetzt in Sicherheit«, sagte er. »Könnt ihr laufen, wenn ich euch runterlasse? Könnt ihr mir zeigen, wo ihr wohnt?«
    Nach einem langen Augenblick nickte sie.
    Sie hatten eine der gewundenen Gassen erreicht, die in der Unterstadt als Straßen galten. Fiedler setzte das größere Mädchen ab, wiegte die Jüngere dabei in der Armbeuge. Sie schien eingeschlafen zu sein. Das ältere Mädchen packte sofort einen Zipfel von Fiedlers Gewand, um von der schubsenden, rempelnden Menge nicht abgedrängt zu werden, und zog ihn dann in eine bestimmte Richtung.
    »Nach Hause?«, fragte Fiedler.
    »Nach Hause«, erwiderte sie.
    Zehn Minuten später hatten sie das Marktviertel hinter sich gelassen und gelangten in eine ruhigere Wohngegend; die Häuser waren bescheiden, aber sauber. Das Mädchen führte Fiedler in eine Seitenstraße. Kaum hatten sie sie erreicht, als wie aus dem Nichts eine Horde Kinder auftauchte

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