Das Reich der Sieben Städte
Rieche ich da tatsächlich Durhang? Sei bloß vorsichtig damit, der Rauch wird dich in einen Abgrund ziehen, der tiefer und schwärzer ist als der tiefste Schacht der Tiefen Mine.«
Felisin streckte ihm einen kieselsteingroßen schwarzen Klumpen entgegen. »Ich kümmere mich um meine Schmerzen, du dich um deine.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß das Angebot zu würdigen, aber jetzt nicht. Was du da in der Hand hältst, entspricht dem Monatssold eines Dosii-Wächters. Ich rate dir, es zum Handeln zu benutzen.«
Sie zuckte die Schultern und steckte den Klumpen wieder in die Tasche an ihrem Gürtel. »Ich brauche nichts, was Beneth mir nicht schon gegeben hätte. Alles, was ich tun muss, ist, ihn danach fragen.«
»Und du bildest dir ein, dass er es dir unentgeltlich gibt.«
Sie trank. »So gut wie. Du wirst verlegt, Heboric. Nach Tieferd. Schon morgen. Jetzt ist Schluss mit Gunnip und seiner Rute.«
Er schloss die Augen. »Warum habe ich jedes Mal, wenn ich dir danke, hinterher so einen bitteren Nachgeschmack im Mund?«
»Mein weingetränktes Hirn flüstert was von Heuchelei. «
Sie sah, wie sämtliche Farbe aus seinem Gesicht wich. Oh, Felisin, zu viel Durhang, zu viel Wein. Tue ich Heboric nur deshalb Gutes, damit ich besser Salz in seine Wunden streuen kann? Eigentlich will ich doch gar nicht so grausam sein. Sie zog das Essen aus der Tasche, das sie für ihn beiseite geschafft hatte, beugte sich vor und legte ihm das kleine, eingewickelte Bündel in den Schoß. »Der Wasserspiegel des Abteufer-Sees ist wieder eine Handspanne gesunken.«
Er sagte nichts, hielt den Blick auf die Stümpfe gerichtet, in denen seine Arme endeten.
Felisin runzelte die Stirn. Da war noch etwas anderes gewesen, was sie ihm hatte erzählen wollen, doch ihr Gedächtnis ließ sie im Stich. Sie trank den Wein aus und streckte sich, fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Ihre Kopfhaut fühlte sich an wie betäubt. Sie zögerte, sah, dass Heboric verstohlen auf ihre Brüste starrte, die sich voll und rund unter der gespannten Tunika abzeichneten. Sie behielt die Haltung einen Augenblick länger bei, als es notwendig gewesen wäre, dann senkte sie langsam die Arme. »Bula träumt von dir«, sagte sie langsam. »Die ... Möglichkeiten machen sie neugierig. Es würde dir gut tun, Heboric.«
Er wandte sich ab und sprang vom Stuhl auf; das unberührte Bündel mit dem Essen fiel zu Boden. »Beim Atem des Vermummten, Mädchen!«
Sie lachte, sah zu, wie er den Vorhang beiseite zog, der seine Koje vom Rest des Raumes abtrennte, und ihn dann unbeholfen wieder hinter sich zuzog. Einen Augenblick später erstarb ihr Lachen, und sie lauschte auf die Geräusche, die der alte Mann machte, als er in seine Koje kletterte. Ich hatte gehofft, du würdest darüber lächeln, Heboric, hätte sie ihm am liebsten erklärt. Und ich wollte nicht, dass mein Lachen so ... hart klingt. Ich bin nicht das, wofür du mich hältst.
Oder doch?
Sie hob das Bündel mit dem Essen auf und legte es auf das Bord über dem Feuerbecken.
Eine Stunde später, Felisin lag noch wach auf ihrem Bett, Heboric auf seinem, kehrte Baudin zurück. Er schürte das Feuer, wobei er sich sehr leise verhielt. Er war nicht betrunken. Sie fragte sich, wo er gewesen sein mochte. Sie fragte sich, wo er Nacht für Nacht hinging. Es hatte jedoch keinen Sinn, ihn zu fragen. Baudin hatte für kaum jemanden ein Wort übrig, und für sie schon gar nicht.
Kurze Zeit später gab es wieder etwas Neues, über das sie nachdenken musste, denn sie hörte, wie Baudin mit dem Finger gegen Heborics Trennwand klopfte. Der Historiker antwortete sofort – seine Worte waren so leise, dass sie sie nicht verstehen konnte –, und Baudin flüsterte zurück. Das Zwiegespräch dauerte noch eine weitere Minute, dann stieß Baudin leise sein grunzendes Lachen aus und begab sich zu seinem eigenen Bett.
Die beiden planten etwas, doch viel mehr als die Tatsache an sich erschütterte sie, dass sie davon ausgeschlossen war. Ärger blitzte in ihr auf, als ihr dies richtig klar wurde. Ich habe sie am Leben erhalten. Ich habe ihnen das Leben leichter gemacht, und zwar schon, seit wir an Bord des Transportschiffs waren. Bula hat Recht, jeder Mann ist ein Bastard – nur dazu gut, benutzt zu werden. Also schön, dann seht eben selbst zu, was Schädelmulde euch bieten kann; auf mein Wohlwollen könnt ihr jedenfalls nicht mehr zählen. Du wirst wieder die Karren ziehen, alter Mann, das schwöre ich. Sie stellte
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