Das Reich der Sieben Städte
er zwang sich, ruhig zu bleiben.
»Gral!«
Fiedler spuckte aus, wie es ein Stammeskrieger getan hätte, wenn ihn ein Schoßhund der Malazaner angesprochen hätte; dann erst drehte er sich um.
Das dunkle Gesicht des Mannes war angespannt, eine Reaktion auf Fiedlers Geste. »Eines Tages werden die Roten Klingen die Hügel von den Gral säubern«, versprach er dem Sappeur. Sein Lächeln enthüllte stumpfe graue Zähne.
Fiedlers einzige Antwort war ein Schnauben. »Wenn du etwas Wichtiges zu sagen hast, Rote Klinge, dann sprich. Unsere Schatten sind schon viel zu kurz für die Strecke, die wir heute noch zurücklegen wollen.«
»Ein Zeichen deiner Unfähigkeit, Gral. Ich habe nur eine einzige Frage. Sag die Wahrheit, denn ich werde wissen, ob du lügst. Wir wollen wissen, ob heute Morgen ein Mann auf einem Rotschimmelhengst die Stadt durch das Karawanen-Tor verlassen hat...«
»Ich habe solch einen Mann nicht gesehen«, erwiderte Fiedler. »Aber jetzt wünsche ich ihm alles Gute. Mögen die Sieben Geister alle Tage seines Lebens über ihn wachen.«
Die Rote Klinge fletschte die Zähne. »Ich warne dich, Gral. Dein Blut bietet dir keinen Schutz vor mir. Du bist seit dem Morgengrauen hier?«
Fiedler wandte sich wieder seinen Maultieren zu. »Eine Frage«, knurrte er. »Jede weitere wirst du bezahlen müssen, Rote Klinge.«
Der Soldat spuckte Fiedler vor die Füße, riss sein Pferd herum und ritt zu seinen Kameraden zurück.
Im Schutz des Schleiers, der sein Gesicht verbarg, erlaubte sich Fiedler ein dünnes Lächeln. Crokus tauchte neben ihm auf.
»Was hat das denn zu bedeuten?«, zischte er.
Der Sappeur zuckte die Schultern. »Die Roten Klingen jagen jemanden. Hat nichts mit uns zu tun. Geh zurück zu deinem Pferd, Junge, wir brechen auf.«
»Kalam?«
Die Unterarme auf den Rücken des Maultiers gelegt, zögerte Fiedler kurz; er blinzelte gegen die Helligkeit der im Sonnenlicht glänzenden ausgebleichten Pflastersteine an. »Möglicherweise haben sie erfahren, dass das heilige Buch nicht mehr in Aren ist. Und irgendjemand muss es zu Sha'ik bringen. Niemand weiß, dass Kalam hier ist.«
Crokus schien nicht überzeugt. »Er hat sich letzte Nacht mit jemandem getroffen, Fiedler.«
»Ein alter Kontakt, der ihm noch etwas schuldig war.«
»Was ein Grund wäre, Kalam zu verraten. Niemand gefällt es, an alte Schulden erinnert zu werden.«
Fiedler sagte nichts. Nach einem kurzen Moment tätschelte er den Rücken des Maultiers – was eine kleine Staubwolke zum Vorschein brachte – und ging dann zu seinem Pferd. Der Wallach zeigte die Zähne, als er nach den Zügeln griff. Fiedler packte das Zaumzeug direkt unter dem Kinn des Tieres. Es versuchte, den Kopf herumzuwerfen, doch er hielt fest, beugte sich ganz nah heran. »Benimm dich anständig, du hässlicher Bastard, oder du wirst es bereuen, das verspreche ich dir.« Er nahm die Zügel und zog sich in den Sattel mit dem hohen Rückenteil.
Jenseits des Karawanen-Tors erstreckte sich die Küstenstraße in Richtung Süden, wobei sie – ganz im Gegensatz zum sanften Ansteigen und Abfallen der Sandstein-Klippen, die am Westufer über der Bucht aufragten – immer auf gleicher Höhe blieb. Zu ihrer Linken und eine Länge landeinwärts verliefen die Arifal-Hügel, deren zackige Silhouette sie den ganzen Weg bis zum Eb begleiten würde, einem Fluss sechsunddreißig Längen weiter im Süden. Kaum zivilisierte Stämme lebten in jenen Hügeln, und der Hervorstechendste davon waren die Gral. Fiedlers größte Sorge war, einem echten Gral-Stammeskrieger über den Weg zu laufen. Die Wahrscheinlichkeit war allerdings um diese Jahreszeit nicht sehr groß, denn die Gral waren jetzt dabei, ihre Ziegen tief in die Berge zu treiben, wo es sowohl Schatten als auch Wasser gab.
Sie trieben ihre Pferde zum Galopp an und überholten eine Handelskarawane, um nicht ständig durch Staubwolken reiten zu müssen; doch dann ließ Fiedler die Tiere wieder in einen langsamen Trab fallen, denn die Hitze des Tages machte sich bereits bemerkbar. Ihr Ziel war ein kleines Dorf namens Salik, etwas mehr als acht Längen entfernt, wo sie Halt machen würden, um ihr Mittagsmahl zu verzehren und abzuwarten, bis die heißesten Stunden vorbei waren und sie zu einem Fluss namens Trob weiterreiten konnten.
Wenn alles glatt ging, konnten sie binnen einer Woche in G'danisban sein. Fiedler vermutete, dass Kalam ihnen zu diesem Zeitpunkt zwei, vielleicht auch drei Tage voraus sein würde. Hinter G'danisban
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