Das Reich der Traeume
Dazu sind sie da, damit wir erkennen, was wir lieben, wonach wir uns sehnen, was wir fürchten, was wir in Wirklichkeit sind oder was wir nicht sind ⦠Einige behaupten sogar, dass unsere Träume uns das Beste in uns zeigen. Wir Menschen glauben, dass in uns jemand ist, der besser ist als wir, jemand, der wir gerne wären. In deinem Fall kann man sagen, dass es in dir jemanden gibt, der an die Gerechtigkeit glaubt, an die Ehre, an die Liebe ⦠Und auch jemanden, dem es an Liebe fehlt. Es ist so, als würdest du die groÃe Liebe deines Lebens suchen.«
»Deswegen träumt er von Alexia?«, fragt Metáfora schnippisch.
»Ich meine das ganz allgemein. Wenn jemand einen geliebten Menschen verloren hat â¦Â«
»Meine Mutter«, sage ich, ohne nachzudenken.
»Genau. Du sagst es. Möglicherweise träumst du von einer Welt, in der du ihr begegnen kannst. Was wir in diesem Leben verlieren, finden wir in dem anderen wieder, in dem der Träume eben. Das Reich der Träume entschädigt uns für das, was wir im wirklichen Leben vermissen.«
Ich bin erleichtert. Wenn es so ist, wie Dr. Vistalegre sagt, dann besteht Hoffnung, dass ich irgendwann geheilt werde. Aber was, wenn es etwas anderes ist? Wenn meine Befürchtungen sich bestätigen? Dann weià ich nicht, was ich tun soll.
»Aber das erklärt noch nicht, was im Moment mit mir passiert, Doktor. Der Helm â¦Â«
»Mach dir darüber keine Gedanken. Das können bloÃe Zufälle sein, die deine Zwangsvorstellungen bestätigen. Wenn du unbedingt glauben willst, dass du in einem früheren Leben ein Ritter warst, dann passt eben alles zusammen. Sagen wir es so: Du bist davon überzeugt, dass sich deine Träume in der Wirklichkeit widerspiegeln.«
»Also, was soll ich tun? So weitermachen, als wäre nichts geschehen?
»Ich werde dir sagen, was du machen sollst. Versuch, damit zu leben, und freu dich, dass du das Glück hast, von so wunderbaren Abenteuern träumen zu dürfen. WeiÃt du, dass es Menschen gibt, die nicht träumen können? WeiÃt du, dass sie das furchtbar unglücklich macht?«
»Das heiÃt also, alles ist gut. Ich bin ein Glückspilz!«
»Niemand stirbt daran, dass er zu viel träumt. Aber man kann den Verstand verlieren, wenn man an Dinge glaubt, die nicht existieren. Du musst dir darüber klar werden, dass das alles nur Träume sind. Kümmere dich nicht um die Zufälle, die wird es immer geben. Mehr noch, je mehr du an sie glaubst, desto mehr Ãhnlichkeiten wirst du entdecken. Deswegen rate ich dir, miss dem Ganzen nicht zu viel Bedeutung bei, sieh es als etwas ganz Normales an. Das ist das Beste, was du machen kannst. Und schreib alles auf, was dir dazu einfällt. Dann wirst du bald herausfinden, dass alles ein Produkt deiner Fantasie ist.«
»Genau das hab ich ihm auch schon gesagt, aber er glaubt mir ja nicht«, mischt sich Metáfora wieder ein. »Er sollte seinen Einfallsreichtum lieber dazu nutzen, Fantasyromane oder Drehbücher zu schreiben.«
Nach dem Gespräch mit den beiden bin ich endgültig davon überzeugt, dass mir niemals jemand glauben wird, dass ich früher einmal ein kühner Ritter war, dass ich Drachen getötet habe, dass ich das Leben eines Alchemisten gerettet habe, dass ich gegen eine Feuerkugel gekämpft habe, dass ich einen Grafen im Duell getötet habe, dass ich ⦠dass ich in einer dunklen Höhle schwarzen Staub gefunden habe, der Tote zum Leben erwecken kann.
* * *
»Mama, jetzt weià ich, dass du die Einzige bist, die mich versteht. Niemand, nicht einmal Papa, begreift, was mit mir geschieht â auÃer dir. Ich fühle mich einsamer denn je. Ich habe gehofft, Metáfora würde mir glauben, aber sie hat mich enttäuscht. Vielleicht werden wir ja bald Halbgeschwister, aber ich werde niemals mein groÃes Geheimnis mit ihr teilen können.«
Mein Handy piepst, eine SMS . Ich werde später nachsehen.
»Es passieren ständig Dinge, die mich erschrecken. Sombra spricht in Rätseln, er meint, es sei besser, wenn niemals jemand in die Tiefen der Stiftung vordringt. Das macht mich nachdenklich. Gibt es hier etwas, das geheim bleiben muss? Was sind das für Geheimnisse? Ist die Welt, in der ich lebe, so schwer zu verstehen?«
Ich bedecke Mamas Bild wieder mit dem Tuch und gehe hinunter in mein Zimmer. Dort lese ich die SMS , die ich eben
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