Das Reich der Traeume
Gefühl. Zu wissen, dass die Wände, die uns umgeben, mehr als tausend Jahre alt sind, flöÃt uns gehörigen Respekt ein. Wir bewundern die Möbel und Gegenstände, die noch erstaunlich gut erhalten sind.
»Wenn die Atmosphäre nicht stimmt, wenn es zum Beispiel zu feucht ist, dann kann es passieren, dass die Möbel zerstört werden«, erklärt uns Hinkebein. »Aber in diesem Fall scheint es genau der richtige Ort für sie zu sein. Einfach phänomenal!«
»Hast du einen Plan?«, frage ich ihn.
»Erst mal werden wir versuchen, die Struktur des Ganzen zu verstehen. Und sobald wir den Zustand der Mauern besser beurteilen können, werden wir uns weiter vorwagen. Ich will unbedingt herausfinden, wie weit diese unterirdische Stadt reicht.«
Ich muss an die Reise zum Mittelpunkt der Erde denken. In dem Roman von Jules Verne klettern mehrere Personen ins Innere eines erloschenen Vulkans, um zum Kern der Erde zu gelangen. In gewisser Weise machen wir dasselbe, nur dass wir nicht zum Mittelpunkt der Erde, sondern in das Herz des Reiches von Arquimia vordringen wollen.
Nachdem wir einige Korridore entlanggegangen sind und mehrere Säle durchquert haben, stehen wir vor zwei groÃen Statuen. Die eine stellt einen Mann dar, einen Mönch oder Alchemisten, die andere einen Ritter aus dem Mittelalter.
»Ein schönes Paar«, bemerkt Hinkebein. »Die richtige Basis für ein Reich: ein Soldat und ein Weiser. Die ideale Kombination.«
»Da fehlt noch jemand«, stellt Metáfora fest. »Eine Frau.«
Plötzlich, wie zur Bestätigung ihrer Worte, entdecken wir zwischen den beiden Statuen einen Vorhang. Hinkebein tritt näher heran und zieht ihn zurück. Dahinter steht tatsächlich die Statue einer Frau.
»Königin Ãmedi!«, ruft Metáfora aus. »Dieselbe wie auf dem Sarkophag!«
»Stimmt!«, sage ich erstaunt. »Das ist Königin Ãmedi, flankiert von einem Weisen und einem Ritter!«
»Für mich sieht das aus wie eine Familie«, sagt Hinkebein. »Vater, Mutter und Sohn.«
»Aber Arquimaes und Ãmedi waren doch gar nicht verheiratet und sie hatten auch keine Kinder«, widerspreche ich.
»Woher weiÃt du das?«, fragt Hinkebein.
»Weil ⦠na ja, ich glaube, der Ritter mit dem Helm ⦠das ⦠das ist nicht ihr Sohn. Aber eigentlich ⦠Ich weià gar nicht, warum ich das sage, es war nur so eine Idee ⦠Dummes Zeug â¦Â«
»Arturo«, ermahnt mich Hinkebein. »Hör auf, über etwas zu spekulieren, das du nicht weiÃt. Versuche zu verstehen, was du siehst, mehr nicht.«
Ich antworte nicht, aber meine Erinnerung sagt mir, dass ich recht habe. Obwohl, klar, warum sollen sie Jahre nach der Schlacht nicht geheiratet und einen Sohn bekommen haben?
»Lasst uns weitergehen«, schlägt Hinkebein vor. »Nachher haben wir noch genug Zeit, alles in Ruhe zu analysieren.«
Wir gehen hinter ihm her, wie er es uns gesagt hat, und arbeiten uns kreisförmig voran. Wir gelangen in einen groÃen Saal, in dem zwei Throne nebeneinanderstehen, wohl für ein Königspaar, flankiert von Holzbänken.
»In diesem Saal wurde Recht gesprochen«, erklärt uns Hinkebein. »Das Seltsame daran ist, dass Richter und Könige auf gleicher Höhe saÃen. Normalerweise war das im Mittelalter nicht üblich. Das muss ein ganz besonderes Königreich gewesen sein, in dem die Untergebenen bei der Rechtsprechung den Herrschern gleichgestellt waren.«
Meine Erinnerung sendet mir weitere Bilder, aber sie sind ziemlich undeutlich. Ich sehe mich selbst in diesem Saal.
»Diese Bank war für die Angeklagten bestimmt. Und daneben könnt ihr den Platz für die Anklage und den für die Verteidigung sehen. Wie in modernen Gerichtssälen. Offenbar wurde der Gerechtigkeit groÃe Bedeutung beigemessen.«
»Ja«, murmele ich. »Anscheinend war Gerechtigkeit sehr wichtig für sie.«
Wir gehen weiter und entdecken noch mehr interessante Räume. Ein groÃes Theater, Bäder â¦
Plötzlich hält Hinkebein inne.
»Schhh!«, zischt er. »Ich glaube, ich habe eine Stimme gehört ⦠Jemand ruft uns â¦Â«
»Arturo! Metáfora! Kommt zurück!«
»Das ist Cristóbal!«
»Kommt schnell!«, ruft er noch lauter. »Bitte!«
»Irgendwas ist passiert«, sagt Hinkebein. »Los, kommt!«
Wir folgen der
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