Das Reich der Traeume
erhobener Waffe. Seine Soldaten sollten sehen, dass er bereit war, mit ihnen zusammen in der ersten Reihe sein Leben aufs Spiel zu setzen. »Bis zum letzten Blutstropfen!«
* * *
Der schwarze Ritter lag auf seinem Lager in der Zelle. Er war vollkommen erschöpft. Der Weise benetzte seine Lippen mit einem nassen Lappen und wartete darauf, dass er sich ein wenig erholte.
»Was ist geschehen?«, fragte Arturo, nachdem er den schwarzen Helm abgenommen hatte. »Bin ich tot?«
»Nein, mein Freund, du lebst. Wir sind in unserer Zelle. Du warst sehr tapfer. Du hast den tödlichen Feuerball in Stücke gehauen.«
Arturo schloss die Augen und versuchte, sich an den Zusammenprall mit der brennenden Masse zu erinnern. Er wusste noch, dass er durch sie hindurchgeritten war und dass seine Lanze die Flammen geteilt hatte. Auch an die Hitze in seinem Körper konnte er sich noch erinnern und an das Gefühl der Angst, zu verbrennen.
»Ich war in der Hölle«, sagte er. »Mitten in der Hölle!«
»Beruhige dich, Arturo, es ist vorbei. Du bist in Sicherheit.«
Der Junge versuchte, den Sinn der Worte des Weisen zu erfassen. Er schwieg eine Weile. SchlieÃlich brachte er mühsam eine Frage hervor: »Was geht da drauÃen vor?«
»Der Sturm auf Morfidios Burg hat begonnen. Sie haben Hunderte von Pfeilen abgeschossen und gleich steht die Infanterie vor den Mauern. Es wird ein unbarmherziges Gemetzel geben.«
»Können wir nicht verhindern, dass noch mehr Menschen sterben?«, fragte Arturo. »Wollt Ihr, dass ich noch einmal hinausgehe, Meister?«
»Wir können nichts tun. Zwei Mächte stehen sich im Kampf gegenüber. Benicius lässt seine Truppen die Festung stürmen und niemand kann sie aufhalten.«
* * *
Die beiden Belagerungstürme bewegten sich langsam auf den Schutzwall zu, um ihr zerstörerisches Werk zu verrichten. Durch groÃe Schilde geschützt, folgten ihnen die Soldaten der Infanterie mit ihren Leitern. Bald schon standen sie vor dem Wall. Sie wurden mit kochendem Ãl und Wasser empfangen, das die Verteidiger über die Mauern kippten. Dennoch gelang es ihnen, einen der Belagerungstürme gegen die Mauer zu lehnen und die hölzerne Klappe auszulegen. Wieselflink kletterte ein Schwarm tapferer, zu allem bereiter Krieger über die Planke. Kurz darauf wurde der zweite Turm an den Schutzwall gelehnt.
Trotz des erbitterten Widerstandes erreichten die Sturmtrupps am späten Vormittag den Wassergraben. Das groÃe Tor wurde niedergerissen. Seine Reste dienten als Brücke für Beniciusâ Kavallerie, die mit Feuer und Schwert vordrang, gefolgt von der Infanterie, die wie eine unersättliche Bestie in die Festungsanlage stürmte.
Was nun folgte, war der Anfang vom Ende der Herrschaft des Grafen Morfidio.
Der Kampf Mann gegen Mann war abscheulich. Die langen Ãxte der Angreifer sausten auf den Feind nieder, der seinerseits alles durchbohrte, was ihm vors Schwert kam. Das Kampfgeschrei der Soldaten vermischte sich mit den Angstschreien der Frauen und Kinder, die vergeblich versuchten, sich unter Karren, in die Ställe oder die Vorratskammern zu flüchten.
Die Angreifer warfen brennende Fackeln auf Heuballen und Holzdächer und entfachten eine Feuersbrunst von gewaltigen AusmaÃen. In Windeseile breiteten sich die Flammen in der gesamten Festungsanlage aus, riesige Rauchsäulen machten den schwitzenden Soldaten das Atmen unmöglich.
Morfidios Leute verzweifelten zusehends. Sie sahen kaum noch einen Sinn darin weiterzukämpfen. Einige suchten ihren Herrn, mussten jedoch mit Entsetzen feststellen, dass er nirgendwo zu sehen war. Sogleich machte das Gerücht die Runde, Morfidio habe durch ein feindliches Schwert sein Leben lassen müssen. Bald hörten die Soldaten auf, einen Herrn zu verteidigen, der möglicherweise gar nicht mehr lebte. SchlieÃlich legten sie die Waffen nieder und ergaben sich, wohl wissend, dass sie damit ihr Leben und ihre Ehre in die Hand der Eroberer legten.
Mit äuÃerster Brutalität wurden die Gefangenen auf dem Burghof zusammengetrieben und von Beniciusâ Kriegern gefesselt und gedemütigt. Man entriss ihnen Stiefel, Ringe, Armreifen und Ketten sowie alle anderen Gegenstände, die irgendwie von Wert zu sein schienen. Der Lohn für die Soldaten, die eine Festung erobert hatten, bestand überwiegend aus der Beute, die ihnen bei der darauffolgenden
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