Das Reich des dunklen Herrschers - 8
aus den Augen zu lassen, den Kahlan mit ihrer Kraft berührt hatte. Der kauerte ein Stück abseits und lauschte teilnahmslos, ihrer Befehle harrend.
Cara stand neben Kahlan, stets auf der Hut vor möglichem Unheil.
Kahlan war von der Geschichte jenes geheimnisumwitterten Reiches, das Richard diesem Fremden, der ihn vergiftet hatte, wie beiläufig und scheinbar mühelos entlockte, wie gelähmt. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, worauf Richard mit seinen nüchternen, sachlichen Fragen hinauswollte. Was hatten die Bestrafungsmethoden dieses Reiches mit der Tatsache zu tun, daß Richard vergiftet worden war? Dennoch war ihr klar, daß Richard sein Ziel klar vor Augen hatte und daß der Weg dorthin breit und sonnig war.
Richard blieb vor Owen stehen. »Wie verhaltet ihr euch in solchen Fällen - wenn es nicht gelingt, jemanden, der für alle zur Gefahr geworden ist, umzuerziehen? Was macht ein Volk von Erleuchteten mit solchen Menschen?«
Owen antwortete mit sanfter, in der Stille des frühmorgendlichen Nieselregens deutlich vernehmbarer Stimme. »Wir verbannen sie.«
»Ihr verbannt sie. Mit anderen Worten, Ihr schickt sie in das Grenzgebiet.«
Owen nickte.
»Aber sagtest du nicht eben, das Betreten des Grenzgebietes käme praktisch einem Todesurteil gleich? Ihr könnt diese Menschen doch nicht einfach in das Grenzgebiet schicken, damit würdet ihr sie ja hinrichten. Es muß doch eine Art Durchgang geben, durch den ihr sie schicken könnt. Einen ganz besonderen Ort; einen Ort, an den ihr sie verbannen könnt, ohne sie zu töten, von wo sie aber nicht zurückkehren können, um Eurem Volk weiteren Schaden zuzufügen.«
Wieder nickte Owen. »Richtig, einen solchen Ort gibt es. Der Paß, der durch die Grenze versperrt wird, ist steil und tückisch, es gibt jedoch einen Pfad, der in das Grenzgebiet hinunterführt. Dieselben Vorfahren, die uns mit dem Errichten der Grenze beschützen wollten, haben einst auch diesen Pfad angelegt. Angeblich kann man auf ihm das Grenzgebiet durchqueren. Wegen des starken Gefälles am Hang ist er nur schwer begehbar, jedoch gut zu erkennen.«
»Und nur, weil er so schwierig zu passieren ist. kann man ihn nicht wieder hinaufsteigen, um wieder nach Bandakar hineinzugelangen?«
Owen biß sich auf die Unterlippe. »Bergab führt er durch eine grauenvolle Gegend, eine schmale Passage im Grenzgebiet, wo es keine Spur von Leben gibt und angeblich der Tod zu beiden Seiten lauert. Wer verbannt wird, erhält weder Wasser noch andere Vorräte; die muß er sich selbst auf der anderen Seite suchen, oder er geht zu Grunde. Am Beginn des Pfades stellen wir Beobachter auf, die so lange ausharren, bis sie sicher sind, daß der Verbannte das Grenzgebiet tatsachlich durchquert hat und sich nicht noch in der Nähe herumtreibt, um später wieder umzukehren. Die Beobachter warten mehrere Wochen, bis sie sich vergewissert haben, daß der Verbannte sich jenseits des Grenzgebietes auf die Suche nach Nahrung und Wasser gemacht hat und bereit ist, sich eine neue Existenz fern seines Volkes zu suchen.
Unmittelbar nach Durchqueren des Grenzgebietes verwandelt sich der Wald in einen beängstigenden Ort des Schreckens, voller Wurzeln, die wie Schlangen in einem von diesen Tieren verseuchten Gebiet vom Grat herabhängen. Der Pfad führt einen unter diesem dichten Vorhang aus Wurzeln und herabstürzenden Wasserläufen hindurch, bis man sich weiter unten plötzlich in einer fremdartigen Welt wiederfindet, wo die Bäume hoch über einem dem fernen Licht entgegenzustreben scheinen, man selbst jedoch nur ihre verschlungenen Wurzeln sieht, die sich in das Dunkel dicht über dem Grund strecken. Es heißt, sobald man diesen Wurzelwald rings um sich aufragen sieht, hat man das Grenzgebiet und den Paß durch das Gebirge hinter sich gelassen.
Angeblich ist es völlig unmöglich, unser Land von dieser Seite aus zu betreten und über den Paß in unser Reich zurückzukehren. Einmal verbannt, ist man rettungslos verloren.«
Richard trat näher zu Owen hin und legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Und was hast du verbrochen, daß man dich verbannt hat, Owen?«
Owen sank nach vorn und schlug die Hände vors Gesicht, ehe er schließlich schluchzend zusammenbrach.
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Nach Owens bisherigen Ausführungen war Kahlan nicht wenig erstaunt zu erfahren, daß er selbst zu einem dieser Verbannten geworden war. Sie sah, wie Jennsen der Unterkiefer herunterklappte. Selbst Cara zog verdutzt eine Braue hoch.
Richards Hand auf seiner
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