Das Reich des dunklen Herrschers - 8
wegen der Berge, die ihn vollständig umschließen, vollkommen unzugänglich ist. Berge, wie sie nur der Schöpfer zur Abriegelung des dahinter liegenden Landes und zum Schutz des dort lebenden Volkes zu schaffen vermochte.«
»Mit Ausnahme jener einen Stelle« - Richard deutete nach Osten -, »jenes Einschnitts im Gebirge, dem Paß.«
»Richtig«, räumte Owen, den Blick noch immer auf seine Heimat gerichtet, ein. »Durch ihn gelangten wir in das dahinterliegende Land, in unsere Heimat, aber natürlich konnten auch andere ihn passieren. Es war die einzige Stelle, an der wir verwundbar waren. Ihr müßt wissen, daß wir ein erleuchtetes Volk sind, das jede Form der Gewaltanwendung überwunden hat; die Welt jedoch ist noch immer voller wilder, barbarischer Völker. Also taten die Altvorderen, die das Überleben unserer hoch entwickelten Kultur, ihr Gedeihen jenseits der Barbarei im Rest der Welt garantieren wollten, folgendes: Sie sperrten den Paß.«
»Und seit jener Zeit lebt dein Volk in völliger Abgeschiedenheit - seit Tausenden von Jahren.«
»So ist es. Wir leben in einem Land der Vollkommenheit, mit einer hoch entwickelten Kultur, die nie unter den Einfluss der Barbarei der Menschen hier draußen geraten ist.«
»Wie wurde dieser Paß, dieser Einschnitt in den Bergen, damals versperrt?«
Owen sah Richard an, als schien die Frage ihn zu verwirren. Er überlegte einen Moment. »Nun ja … der Paß wurde eben versperrt. Danach konnte niemand diesen Ort passieren.«
»Weil jeder beim Betreten dieses Grenzgebietes sein Leben verloren hätte.«
Eine eisige Woge der Erkenntnis überkam Kahlan, als es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel, woraus die Sperre zu diesem Reich bestand.
»Nun, sicher«, stammelte Owen. »Aber eine andere Möglichkeit gab es nicht, wenn man verhindern wollte, daß Fremde in unser Reich eindringen. Wir lehnen jede Form der Gewalt bedingungslos ab; sie gilt bei uns als unerleuchtetes Verhalten. Gewalt erzeugt nur immer wieder neue Gewalt, so daß eine endlose Spirale der Gewalt entsteht.« Die Sorge, letztlich doch den Verlockungen dieses teuflischen Zaubers zu erliegen, machte ihn sichtlich nervös. »Wir sind ein hoch entwickeltes Volk, das über die Gewaltanwendung seiner Vorfahren erhaben ist. Dieses Verhalten haben wir überwunden. Ohne die Grenze jedoch, die den Paß versiegelt, und solange die übrige Welt nicht ebenfalls jeglicher Gewalt abschwört, könnte unser Volk leicht das Opfer unerleuchteter Barbaren werden.«
»Und jetzt ist diese Sperre durchbrochen worden.«
Owen blickte starr zu Boden und mußte schlucken, ehe er antworten konnte. »Ja.«
»Wie lange liegt der Fall der Grenze zurück?«
»Das wissen wir nicht genau. Die Gegend dort ist gefährlich; niemand lebt auch nur in ihrer Nähe, deshalb können wir es nicht mit Bestimmtheit sagen, wir glauben aber, daß es vor etwa zwei Jahren passiert sein muß.«
Kahlan überkam ein leichtes Schwindelgefühl, als sie ihre Befürchtungen bestätigt sah.
Als Owen den Kopf wieder hob, bot er ein Bild des Jammers. »Jetzt ist unser Reich den unerleuchteten Barbaren schutzlos ausgeliefert.«
»Kurz nachdem die Grenze gefallen war, ist die Imperiale Ordnung über den Paß einmarschiert.«
»Ja.«
»Und die schwarz gezeichneten Riesenkrähen stammen ebenfalls aus dem Land jenseits der schneebedeckten Gipfel, aus dem Reich Bandakar, hab ich Recht?«
Owen, offensichtlich überrascht, daß Richard dies wußte, sah auf. »Ja. Obwohl ihnen eigentlich jede Heimtücke fremd ist, ernähren sich diese schaurigen Geschöpfe von den Bewohnern meines Heimatlandes, so daß wir nachts, wenn sie auf Jagd gehen, unsere Häuser nicht verlassen können. Trotzdem trifft es manchmal Leute überraschend, vor allem Kinder, die schließlich zur Beute dieser furchterregenden Geschöpfe werden …«
»Wieso tötet ihr sie nicht?«, warf Cara empört ein. »Wehrt Euch gegen sie? Schießt sie mit Pfeilen vom Himmel? Bei den Gütigen Seelen, warum schlagt ihr ihnen, wenn es denn gar nicht anders geht, nicht einfach mit einem Stein den Schädel ein?«
Schon der Gedanke schien Owen zutiefst zu schockieren. »Wie ich schon sagte, wir sind über Gewalt erhaben. Es wäre ein noch weit größeres Unrecht, diesen unschuldigen Geschöpfen mit Gewalt zu begegnen. Die Erhaltung ihrer Art ist unsere heilige Pflicht, schließlich waren wir es, die in ihr Reich eingedrungen sind. Die Schuld trifft allein uns, denn wir verleiten sie zu einem
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