Das Reich des dunklen Herrschers - 8
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Licht flutete herein, als die Abdeckung der Kiste unvermittelt angehoben wurde: die rostigen Scharniere protestierten kreischend gegen jeden Zoll, den sich der Deckel öffnete. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte Zedd in das plötzlich gleißend helle Tageslicht. Schließlich schlugen fleischige Arme den Deckel ganz zurück. Hätte ihm die Kette um seinen Hals auch nur den geringsten Spielraum gelassen, wäre Zedd beim hallenden Scheppern des schweren Kistendeckels, der eine Wolke aus Dreck und rostigen Metallpartikeln auf ihn herniederrieseln ließ, hochgeschreckt.
Geblendet vom grellen Licht und dem wirbelnden Staub in der Luft, konnte Zedd fast nichts erkennen. Wenig hilfreich war auch die kurze, in der Mitte des Kistenbodens vernietete Kette um seinen Hals, die verhinderte, daß er seinen Kopf weiter als ein paar Zoll anheben konnte. Da man ihm zudem die Hände hinter dem Rücken in Eisen gelegt hatte, hatte er fast keine andere Möglichkeit; als flach auf dem Kistenboden zu liegen.
Immerhin konnte er, den Hals in unmittelbarer Nähe des eisernen Bolzens, trotz seiner erzwungenen Seitenlage wenigstens den überraschenden Strom kühlerer Luft in seine Lungen saugen. Die Hitze im Innern der Kiste war erdrückend gewesen. Man hatte ihm beim allabendlichen Halt mehrmals einen Becher mit Wasser gereicht, doch der war nicht annähernd ausreichend gewesen. Auch zu essen hatten er und Adie herzlich wenig bekommen, viel dringender als Essen aber benötigte er Wasser. Zedd hatte das Gefühl, verdursten zu müssen. Wasser war zu seinem allesbeherrschenden Gedanken geworden.
Längst hatte er aus den Augen verloren, wie viele Tage er nun schon angekettet am Boden der Kiste lag, trotzdem stellte er einigermaßen überrascht fest, daß er noch lebte. Während der ganzen holprigen, gleichwohl flotten Fahrt war die Kiste hinten auf der Ladefläche eines Wagens durchgerüttelt worden. Er konnte bestenfalls vermuten, daß man ihn zu Kaiser Jagang brachte; im Übrigen aber war er sicher, daß er es bedauern würde, das Ende dieser Reise zu erleben.
In der stickigen Hitze der Kiste hatte es mehrfach Augenblicke gegeben, in denen er fest damit gerechnet hatte, allmählich das Bewußtsein zu verlieren und jämmerlich zu krepieren; nicht selten hatte er seinen Tod geradezu herbeigesehnt. Ein sanftes Entschlummern in einen tödlichen Schlaf, dessen war er sicher, war dem, was ihn erwartete, gewiß vorzuziehen. Aber er hatte keine Wahl; die Schwestern wußten über die durch den Rada’Han ausgeübte Macht zu verhindern, daß er sich mit der Kette strangulierte, und ein Tod allein durch Willenskraft war, wie er herausgefunden hatte, ziemlich schwierig.
Zedd, dessen Kopf von der viel zu kurzen Kette am Boden des Verschlags festgehalten wurde, versuchte sich umzuschauen, doch außer einem winzigen Stück Himmel konnte er nichts erkennen. Dann hörte er, wie ein weiterer Kistendeckel knallend zurückgeschlagen wurde, und mußte, als ihn zum zweiten Mal eine Staubwolke einhüllte, husten. Als er kurz darauf Adie husten hörte, hätte er nicht zu sagen vermocht; ob er nun erleichtert oder betrübt darüber war. daß sie noch lebte - schließlich wußte er nur zu gut, was sie, ebenso wie er, würde erdulden müssen.
In gewisser Hinsicht war Zedd auf die Folter vorbereitet, der man ihn zweifellos in Kürze unterziehen würde, denn als Zauberer hatte er eine Schmerzensprüfung ablegen müssen. Die Folter machte ihm Angst, aber er würde sie ertragen, bis sie seinem Leben schließlich ein Ende bereitete. Angesichts seines geschwächten Zustands würde es vermutlich ohnehin nicht lange dauern. In mancher Weise erschien ihm das Gefoltertwerden mittlerweile fast wie ein alter Bekannter, der ihn fortwährend mit seinen Heimsuchungen verfolgte.
Aber viel mehr noch, als selbst gefoltert zu werden, graute ihm vor dem Leid, das Adie würde über sich ergehen lassen müssen. Die Qualen anderer verabscheute er mehr als alles andere. Die Vorstellung, daß Adie einer solchen Mißhandlung ausgesetzt sein würde, erfüllte ihn zutiefst mit Abscheu.
Ein Rütteln ging durch den Wagen, als die Vorderseite der anderen Kiste aufklappte. Unmittelbar darauf drang ein Schrei aus Adies Kehle, offenbar, nachdem jemand sie geschlagen hatte.
»Zur Seite, dämliches altes Weib, damit ich an das Schloß rankomme!«
Zedd hörte ihre Schuhe über den hölzernen Kistenboden scharren, als sie der Aufforderung mit auf den Rücken gebundenen Händen
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