Das Reich des dunklen Herrschers - 8
Handschellen, vor dem finster dreinblickenden Traumwandler höchstselbst, Kaiser Jagang.
Der thronte mit mahlenden Kiefern, beide Ellbogen aufgestützt, auf einem mit kunstvollen Schnitzereien verzierten Stuhl mit hoher Rückenlehne, eine Gänsekeule zwischen beiden Händen. Lichtpunkte der Kerzen spiegelten sich an den Seiten seines kahlgeschorenen Schädels und tanzten, sobald die Sehnen in seinen Schläfen durch sein Kauen in Bewegung gerieten. Sein dünner Schnauzer an den Mundwinkeln und in der Mitte seiner Unterlippe bewegte sich im Rhythmus seines Kiefers, ebenso das dünne Kettchen, das die goldenen Ringe in Ohr und Nase miteinander verband. Das ölige Gänsefett auf seinen beringten Fingern glänzte im Schein der Kerzen und troff an seinen nackten Armen herab.
Von seinem Platz hinter der Tafel musterte er seine jüngsten Gefangenen mit gelangweiltem Blick.
Trotz der überall auf dem Tisch verteilten und zu beiden Seiten in Haltern aufgestellten Kerzen verströmte das Innere des Zeltes die düstere Atmosphäre eines Gefängnisses.
Rechts und links von ihm war die Tafel vollgestellt mit Tellern voller Speisen, mit Pokalen, Flaschen, Kerzen und Schalen sowie bisweilen, da und dort, mit einem Buch oder einer Schriftrolle. Da in diesem Gedränge nicht für alle Silberteller Platz war, hatten einige an strategisch günstigen Stellen auf kleinen Ziersäulen plaziert werden müssen. Die Menge der Speisen schien ausreichend für eine kleine Armee.
Allem Gerede des Ordens zum Trotz, die Darbringung von Opfern zum Wohl der Menschheit sei ihr nobles Anliegen, wußte Zedd, daß diese Völlerei an der kaiserlichen Tafel eine ganz andere Botschaft vermitteln sollte, auch wenn kaum jemand außer dem Kaiser selbst sie jemals zu Gesicht bekam.
An der Zeltwand hinter Jagang standen Sklaven aufgereiht, einige mit weiteren Serviertellern in den Händen, andere in steifer Körperhaltung -und alle harrten ihrer Befehle. Einige waren noch sehr jung -angeblich junge Zauberer, hatte Zedd gehört -, bekleidet mit weiten, weißen Hosen und sonst nichts. Hier also waren die Zauberer gelandet, die im Palast der Propheten hatten ausgebildet werden sollen - zusammen mit den gefangen genommenen Schwestern, die einst ihre Ausbilderinnen waren. Sie alle waren nun Gefangene des Traumwandlers. Männer mit hervorragenden Anlagen, Männer, die über ein enormes Potential verfügten, wurden als Hausdiener für niedere Dienste mißbraucht. Auch das war eine Botschaft, mit welcher der Kaiser der Imperialen Ordnung jedem zeigen wollte, daß die Besten und Klügsten gerade gut genug waren, das Nachtgeschirr zu leeren, während brutale Rohlinge über sie herrschten.
Die jüngeren Frauen unter ihnen - sowohl Schwestern der Finsternis wie auch des Lichts, vermutete Zedd - trugen vom Hals bis zu den Knöcheln reichende Gewänder, die jedoch so durchscheinend waren, daß ihre Trägerinnen ebensogut hätten nackt sein können. Auch das sollte zum Ausdruck bringen, wie wenig der Kaiser von ihren Anlagen hielt, und daß er sie nur zu seiner Zerstreuung schätzte. Die älteren, nicht mehr ganz so attraktiven Schwestern standen, in schmutziggraue Kleider gehüllt, etwas abseits - vermutlich Schwestern, die ihm in anderen niederen Funktionen dienten.
Jagang fand sichtlich Gefallen daran, einige der begabtesten Menschen überhaupt als Sklaven zu halten. Es entsprach dem Wesen der Imperialen Ordnung, Menschen mit besonderen Talenten zu erniedrigen statt sie zu verehren.
Jagang beobachtete Zedd, wie dieser seine Haussklaven mit seinem Blick erfaßte, zeigte jedoch keinerlei Regung. Sein Stiernacken verlieh seinem Äußeren etwas beinahe Nichtmenschliches. Seine Brustmuskulatur, wie auch seine massigen Schultern, waren unter der offenen, ärmellosen Schafwollweste deutlich zu erkennen. Er war der stämmigste, kräftigste Mann, den Zedd je gesehen hatte, eine einschüchternde Erscheinung, selbst wenn er sich nicht bewegte.
Während Zedd und Adie schweigend warteten, riß Jagang mit den Zähnen ein weiteres Fleischstück von der Gänsekeule. In der angespannten Stille musterte er sie kauend, so als überlegte er was er mit seinem jüngsten Fang anfangen sollte.
Mehr als alles andere waren es seine tiefschwarzen Augen ohne Pupille, Iris oder auch nur eine Spur von Weiß, die Zedd das Blut in den Adern gefrieren zu lassen drohten. Das letzte Mal, als er diese Augen gesehen hatte, war Zedd nicht in Handschellen gewesen, sondern dieses nicht mit der Gabe
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