Das Reich des dunklen Herrschers - 8
zu ertrinken, während jemand anderes versuchte, seinen Kopf über Wasser zu halten.
Plötzlich trieb er allein an einem dunklen, stillen Ort. Zeit schien jede Bedeutung verloren zu haben.
Er mußte rechtzeitig zu Kahlan gelangen; er war ihre einzige Hoffnung.
Richard schlug die Augen auf. »Tut mir leid, Nathan, aber…«
Nathan war schweißgebadet. Ann, die neben ihm saß, hielt seine linke Hand, Nathan seine rechte. Richard fragte sich, was geschehen sein mochte.
Er sah von einem Gesicht zum anderen. »Was ist passiert?«
Die beiden machten ein betrübtes Gesicht. »Wir haben alles versucht«, sagte Nathan leise. »Es tut mir leid, aber wenigstens haben wir es versucht.«
Richard runzelte die Stirn. Sie hatten doch erst vor wenigen Augenblicken angefangen.
»Was soll das heißen? Wieso gebt ihr schon so schnell auf?«
Nathan warf Ann einen Seitenblick zu. »Wir sind bereits seit zwei Stunden dabei, Richard.«
»Zwei Stunden?«
»Ich fürchte, ich kann nichts mehr für dich tun, Junge.« Der Klang seiner Stimme ließ keinen Zweifel daran, daß es ihm ernst war.
Richard fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Aber was redest du da? Du selbst hast mir letztes Mal, als ich dieses Problem hatte, erklärt, es ließe sich bei einer Sitzung mit einem Zauberer wieder richten. Du sagtest, für einen Zauberer wäre es eine Kleinigkeit, diese Entfremdung von der Gabe zu beheben.«
»So sollte es eigentlich auch sein. In deinem Fall jedoch hat sich die Gabe zu einem Knoten verschlungen, der dich innerlich zu erdrosseln droht.«
»Aber du bist doch ein Prophet, ein Zauberer; Ann, du bist Hexenmeisterin. Ihr beide zusammen wißt wahrscheinlich mehr über Magie als irgend jemand sonst in den letzten paar tausend Jahren.«
»Richard, seit dreitausend Jahren ist niemand mehr geboren worden, der so ist wie du. So viel wissen wir also gar nicht über die Funktionsweise deiner speziellen Spielart der Gabe.« Ann unterbrach sich, um ein paar verirrte graue Haarsträhnen in den Dutt an ihrem Hinterkopf zu stecken. »Wir haben es versucht, Richard. Ich schwöre es, wir haben beide unser Bestes gegeben. Selbst wenn ich seine Kraft mit Hilfe meines Talents unterstütze, sind Nathans Möglichkeiten, dir zu helfen, mit deiner Gabe überfordert. Was wir auch versucht haben, es hat nichts genützt. Wir können dir nicht helfen.«
»Was soll ich also tun?«
Nathan wandte seine tiefblauen Augen ab. »Deine Gabe ist im Begriff, dich umzubringen, Richard. Die Ursache dafür ist mir nicht bekannt, ich fürchte aber, sie ist bereits in eine Phase eingetreten, in der sie nicht mehr zu beherrschen und damit tödlich ist.«
Richards Blick ging von einem bestürzten Gesicht zum anderen. »Schätze, im Grunde spielt es ohnehin keine Rolle mehr«, meinte er schließlich bedrückt.
Nathan runzelte die Stirn. »Was soll das heißen, es spielt keine Rolle mehr?«
Richard erhob sich und tastete mit der Hand nach der Wand, um sich daran abzustützen. »Ich bin vergiftet worden. Das Gegenmittel wurde vernichtet … es besteht keine Hoffnung mehr auf Heilung. Ich fürchte, meine Zeit ist abgelaufen. Welch eine Ironie auf Kosten meiner Gabe -etwas anderes wird mich zuerst umbringen.«
Ann stand auf und faßte ihn mit beiden Händen an den Oberarmen. »Richard, im Augenblick können wir dir nicht helfen, aber du könntest dich doch wenigstens ausruhen. Wir wissen nicht, was mit deiner Gabe aus dem Lot geraten ist, aber wir können daran arbeiten. Deshalb brauchen wir dich hier, damit wir deine Kraft sofort wieder richten können, sobald wir eine Lösung gefunden haben.«
»Aber begreift Ihr nicht? So lange werde ich gar nicht mehr leben. Das Gift ist im Begriff, mich umzubringen. Dieser Prozeß verläuft in drei Phasen, in deren dritte - den Verlust der Sehkraft - ich im Moment gerade eintrete. Ich habe nicht mehr lange zu leben; deshalb muß ich die mir noch verbliebene Kraft nutzen, um Kahlan zu finden. Ich bin nicht mehr imstande, euch anzuführen, aber wenn es mir gelingt, sie aus Nicholas’ Gewalt zu befreien, wird sie den Kampf an meiner statt anführen können.«
»Demnach weißt du, wo sie sich befindet?«, fragte Nathan.
»Ja, ich glaube schon.«
Richard riß die Tür auf. Cara, die unmittelbar davor gewartet hatte, war augenblicklich auf den Beinen, doch ihre erwartungsvolle Miene fiel rasch in sich zusammen, als ihr sein Kopfschütteln zu verstehen gab, daß der Versuch fehlgeschlagen war.
»Wir müssen aufbrechen, sofort.
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