Das Reich des dunklen Herrschers - 8
sämtliche Nachkommen bis auf ihren mit der Gabe gesegneten Erben.«
»Aber wenn sie doch Zauberer waren, hätten sie doch ohne weiteres feststellen können, wer eine Säule der Schöpfung war, und wenigstens die Übrigen verschonen können.«
»Vermutlich, vorausgesetzt, sie hätten es wirklich gewollt. Aber wie im Falle Darken Rahls galt ihr ausschließliches Interesse ihrem einen mit der Gabe gesegneten Nachkommen. Alle übrigen wurden einfach umgebracht.«
»Weshalb sie sich aus Angst um ihr Leben versteckten und es nur einer von ihnen gelang, sich Darken Rahls Zugriff zu entziehen - bis du ihn schließlich getötet hast. Und deswegen hast du jetzt eine Schwester - Jennsen.«
Richards Lächeln kehrte zurück. »Genau so ist es.«
Kahlan folgte seinem Blick mit den Augen und sah einige ferne, dunkle Punkte - schwarz gezeichnete Riesenkrähen -, die, getragen von den Aufwinden vor den steilen Felswanden der Berge im Osten, in großer Höhe dahinglitten und sie beobachteten.
Sie sog die heiße, feuchte Luft in ihre Lungen und atmete einmal tief durch. »Was glaubst du, Richard, könnten diese von der Gabe völlig unbeleckten Nachkommen, die man in die Alte Welt verbannt hatte, möglicherweise überlebt haben?«
»Wenn sie nicht von den Zauberern aus der Alten Welt umgebracht worden sind.«
»Aber die Menschen hier in der Alten Welt unterscheiden sich doch überhaupt nicht von denen in der Neuen Welt. Ich habe an der Seite von Zedd und den Schwestern des Lichts gegen die hiesigen Soldaten gekämpft; wir haben alle nur erdenklichen Arten der Magie ausprobiert, um den Vormarsch der Imperialen Ordnung aufzuhalten. Ich kann dir aus eigener Anschauung bestätigen, daß alle Soldaten aus der Alten Welt sich mit Magie beeinflussen lassen, was wiederum bedeutet, daß sie alle mit besagtem winzigen Funken der Gabe geboren worden sind. In der Alten Welt gibt es keine zerbrochenen Glieder in der Vererbungskette der Magie.«
»Nach allem, was ich hier unten gesehen habe, kann ich dir da nur zustimmen.«
Kahlan wischte sich den Schweiß von der Stirn, der ihr bereits in die Augen zu rinnen drohte. »Was mag also aus diesen Verbannten geworden sein?«
Richard sah hinüber zu den fernen Bergen, über denen die Riesenkrähen kreisten. »Ich habe wirklich nicht die leiseste Ahnung. Auf jeden Fall muß es ein grauenhaftes Erlebnis für sie gewesen sein.«
»Dann denkst du also, daß sie es möglicherweise nicht überlebt haben? Daß sie ausgestorben sind oder umgebracht wurden?«
Richard betrachtete sie mit einem versteckten Seitenblick. »Ich weiß es nicht. Aber was ich wirklich gerne wissen würde, ist, warum der Ort dort hinten im Buch den gleichen Namen trägt wie sie: die Säulen der Schöpfung.« Seine Augen bekamen einen gefährlichen Glanz. »Und was mir noch viel schlimmer erscheint: Warum zählt eine Abschrift dieses Buches, wie Jennsen uns erzählte, zu Jagangs kostbarsten Besitztümern?«
Dieser beunruhigende Gedanke ging auch Kahlan schon eine Weile durch den Kopf. Sie sah unter ihrer gerunzelten Stirn zu ihm hoch. »Du hättest vielleicht doch nicht mehrere Kapitel des Buches überspringen sollen, Lord Rahl.«
Sie hatte sich ein wenig mehr erhofft als nur ein flüchtiges Lächeln. »Mir würde ein Stein vom Herzen fallen, wenn das mein gravierendster Fehler in letzter Zeit gewesen wäre.«
»Was willst du damit sagen?«
Er fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. »Spürst du irgendeine Veränderung in deiner Konfessorinnenkraft?«
»Eine Veränderung?« Seine Frage ließ sie beinahe unweigerlich zurückschrecken; sie konzentrierte sich auf ihr Innerstes und unterzog die Kraft, die sie dort stets spürte, einer eingehenden Prüfung. »Nein, sie fühlt sich an wie immer.«
Die im Kern ihres Wesens schlummernde Kraft mußte, wenn sie gebraucht wurde, nicht erst abgerufen werden; sie war wie immer stets bereit. Um sie freizusetzen, brauchte sie nichts weiter zu tun, als ihre Fesseln zu lösen.
»Ich habe den Eindruck, mit dem Schwert stimmt etwas nicht«, sagte er völlig unvermittelt. »Mit seiner Kraft.«
Kahlan wußte beim besten Willen nicht, was sie von dieser Äußerung halten sollte. »Woher willst du das wissen? Was stimmt damit nicht?«
Richard strich gedankenverloren über die um seine Finger gewickelten Zügel. »Es ist schwer zu sagen, was genau nicht stimmt - normalerweise bin ich es gewöhnt, daß sie mir sofort auf Abruf zur Verfügung steht. Wenn ich sie brauche, reagiert sie zwar aus
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