Das Reich des Lichts
vormachen“, sagte Arquimaes. „Wenn ihr wieder erwacht, werdet ihr feststellen, dass ihr nicht mehr dieselbe Person seid. Nach und nach werdet ihr euch in einen anderen Menschen verwandeln.“
„In Alexia“, sagte Amedia.
„In Émedi“, sagte Astrid.
„Es ist ein langwieriger, aber unumkehrbarer Prozess“, erklärte Arquitamius, während er die Kerzen anzündete, die Arturo vor Adragón auf den Felsen gestellt hatte. „Einmal begonnen, kann er von niemandem aufgehalten werden.“
„Ihr sollt wissen, was mit euch geschehen wird“, sagte Arquimaes. „Ihr werdet aufhören, die zu sein, die ihr gewesen seid, und euch in andere Frauen verwandeln. Mit der Zeit werdet ihr ihre Züge annehmen, und eines Tages werdet ihr in den Spiegel schauen und euch nicht mehr wiedererkennen. Ihr werdet euch nicht einmal mehr daran erinnern, wer ihr einmal wart.“
Arturo sagte kein Wort, er lauschte schweigend den Worten seines Meisters.
„Und du, Arturo, willst du, dass ich die sein werde, die deiner geliebten Alexia das Leben wiedergeben wird?“, fragte Amedia, den Becher an den Lippen. „Willst du das wirklich?“
„Ich bin sicher, dass ich keine Frau finden werde, die würdiger wäre als du“, antwortete Arturo. „Meine Geliebte wird bestimmt damit einverstanden sein.“
„Ich möchte euch noch darauf hinweisen, dass etwas von eurer Persönlichkeit in dem neuen Wesen erhalten bleibt“, fuhr Arquimaes fort. „Niemand kann sagen, was genau das sein wird, aber man wird euch daran erkennen können.“
Amedia und Astrid fassten sich bei den Händen und schauten sich liebevoll an. Dann tranken sie.
„Es ist vollbracht“, sagte Amedia und stellte den leeren Becher auf den Tisch. „Ich habe aufgehört, die zu sein, die ich war, um mich in eine andere Person zu verwandeln.“
„Ich werde eine andere Königin sein als die, die ich bis heute war“, sagte Astrid.
Nach und nach wurden die Königin und das Bauernmädchen schläfrig. Dann sanken sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Schweigend betrachteten Arturo und Arquimaes die Kerzen, die langsam herunterbrannten und schließlich verlöschten. Die Dunkelheit und die Stille, die sie umgaben, waren so vollkommen, dass sie das Gefühl hatten, die Welt wäre soeben untergegangen. Dann schliefen auch sie ein.
Nur Arquitamius blieb wach. Hätte jemand der Schläfrigkeit widerstanden, dann hätte er gesehen, wie die vier Kerzen, die Augen des alten Alchemisten und die des Großen Drachen in der Dunkelheit leuchteten.
XVIII
N EUE H OFFNUNG
M EIN V ATER RUFT mich an, um mir etwas Wichtiges mitzuteilen.
„Ich habe soeben erfahren, dass jemand eine große Geldsumme hinterlegt hat, um die Schulden der Stiftung zu begleichen und uns Del Hierro vom Hals zu schaffen!“, ruft er aufgeregt.
„Wer kann das gewesen sein, Papa?“, frage ich. „Wer tut so etwas?“
„Das wissen wir nicht“, antwortet er. „Ich kann es noch kaum glauben!“
„Ich verstehe das nicht. Wer kann ein Interesse daran haben, die Stiftung zu übernehmen, jetzt, wo sie zerstört ist? Wer steckt dahinter? Was will er damit bezwecken?“
„Das ist doch jetzt unwichtig … Stell dir vor, der Investor will sogar unseren Namen zurückkaufen! Er hat Señor Stromber ein Angebot gemacht!“
„Und? Hat Stromber es angenommen?“, frage ich.
„Weiß ich nicht. Man hat mir nur gesagt, dass die Anwälte darüber verhandeln.“
„Sehr merkwürdig … Ich kapiere überhaupt nichts mehr.“
„Ich auch nicht. Wer kann das wohl sein?“
„Reg dich nicht auf, Papa. Ich werde schon herausfinden, wer dahintersteckt.“
***
E SCORIA EMPFÄNGT UNS mit ihrem typischen süßsauren Lächeln. Trotz der Eiseskälte sitzt sie in ihrem wackligen Sessel vor ihrer Behausung. Der Boden ist von einer dünnen Schneeschicht bedeckt, doch das scheint sie nicht zu kümmern.
„Hallo, was führt euch zu mir?“, begrüßt sie uns. „Habt ihr mir ein kleines Geschenk mitgebracht?“
„Heute gibt’s keinen Wein“, antwortet Hinkebein. „Wir sind zum Arbeiten hier!“
„Wir brauchen ein paar Informationen“, sage ich. „Es wird immer komplizierter. Du musst uns helfen.“
„Kein Wein, keine Hilfe“, knurrt sie enttäuscht.
„Keine Hilfe, kein Wein“, dreht Hinkebein den Spieß um. „Also heb deinen Arsch hoch und setz dich an den Computer. Los, mach schon!“
Noch nie habe ich Hinkebein so zu jemandem sprechen hören. Doch anscheinend verfehlen seine Grobheiten nicht ihre Wirkung. Escoria
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