Das Reigate-Rätsel
gerichtet hätte.«
»Ich werde Ihnen gerne alle Informationen geben, die ich Ihnen geben kann.«
»War es in diesem Zimmer, wo Sie ihm den Auftrag erteilten, das Dokument zu kopieren?«
»Ja, es war hier.«
»Könnte Sie jemand abgehört haben?«
»Das steht außer Frage.«
»Haben Sie irgendjemandem gegenüber erwähnt, daß Sie vorhatten, jemandem den Auftrag zu geben, den Vertrag zu kopieren? «
»Niemals.«
»Und dessen sind Sie ganz sicher?« »Absolut.«
»Nun, da Sie niema ndem etwas gesagt haben und Mr. Phelps auch nicht über den Auftrag gesprochen hat und niemand von der Sache etwas wußte, so muß das Erscheinen des Diebes zufällig erfolgt sein. Er sah seine Chance und nahm das Dokument an sich.« Der Staatsmann lächelte.
»Das ist Ihr Gebiet, nicht meines«, sagte er.
»Es gibt noch einen wichtigen Punkt, den ich gerne mit Ihnen besprechen möchte«, sagte er. »Sie befürchteten sehr große und böse Konsequenzen, wenn das Geheimnis dieses Vertrages herauskommen würde. «
Ein Schatten huschte über das Gesicht des Staatsmannes.
»Sehr große Konsequenzen, wirklich!« sagte er.
»Und ist etwas davon eingetroffen?«
»Noch nicht.«
»Wenn Einzelheiten des Vertrages, sagen wir, die französische oder russische Botschaft erreicht hätten, hätten Sie etwas davon gehört? «
»Das hätten wir ganz gewiß«, sagte Lord Holdhurst mit ernstem Gesicht.
»Aber es sind nahezu zehn Wochen vergangen, und es ist nichts geschehen. Könnte man nicht annehmen, daß inzwischen der Vertrag oder Teile daraus ihr Bestimmungsziel erreicht haben?«
Lord Holdhurst zuckte mit den Schultern.
»Wir können doch wohl kaum annehmen, Mr. Holmes, daß der Dieb den Vertrag gestohlen hat, um ihn sich einzurahmen und an die Wand zu hängen.«
»Vielleicht wartet er auf einen besseren Preis?«
»Wenn er noch viel länger wartet, wird er überhaupt keinen Preis mehr erzielen. In ein paar Monaten wird der Inhalt des Vertrages niemandem ein Geheimnis mehr sein. «
»Das ist sehr wichtig«, sagte Sherlock Holmes.
»Vielleicht ist der Dieb von einer plötzliche n Krankheit erwischt worden.«
»Von einem plötzlichen Nervenfieber etwa?« fragte der Staatsmann und warf ihm einen schnellen Blick zu.
»Das habe ich nicht gesagt«, sagte Sherlock Holmes ruhig. »Und nun, Lord Holdhurst, haben wir wirklich schon zuviel von Ihrer kostbaren Zeit in Anspruch genommen. Wir wünschen Ihnen einen guten Tag.«
»Und alles Gute für Ihre Untersuchungen, mag der Verbrecher auch sein, wer er mag!« sagte der Edelmann, als er uns mit einer Verbeugung verabschiedete.
»Das ist wirklich einmal ein edler Mensch«, sagte Sherlock Holmes, als wir nach Whitehall hinauskamen. »Aber er hat schwer zu kämpfen, um seine Position zu halten. Er ist nicht reich und hat viele Verpflichtungen. Sie haben es doch sicherlich auch bemerkt, daß seine Schuhe repariert waren. Nun, Watson, will ich Sie aber nicht länger von Ihrem eigentlichen Beruf aufhalten. Ich selber werde heute auch nicht mehr viel unternehmen, es sei denn, der Kutscher des Mietwagens meldet sich auf meine Anzeige. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn Sie morgen wieder mit mir nach Woking kämen. Wir nehmen den gleichen Zug wie gestern.«
Am nächsten Morgen traf ich ihn verabredungsgemäß, und wir reisten gemeinsam nach Woking.
Auf seine Anzeige hatte er keine Antwort bekommen, und der ganze Fall war dunkel wie vorher.
Er konnte, wenn er wollte, die stoische Ruhe eines Indianers annehmen, dem man es auch nicht vom Gesicht ablesen kann, ob er glücklich oder unglücklich ist. Und so wußte ich nicht, ob er mit der Entwicklung der Dinge zufrieden war oder nicht. Er erzählte mir von dem System eines gewissen Franzosen namens Bertillon, der Verbrecher an gewissen Körpermaßen erkennen wollte. Er äußerte sich über die Erfindung dieses Mannes sehr enthusiastisch.
Unser Klient wurde immer noch von seiner treuen Pflegerin betreut. Aber er sah schon viel besser aus als vorher. Als wir zu ihm ins Zimmer traten, stand er ohne Schwierigkeiten von der Couch auf und begrüßte uns.
»Irgendwelche Neuigkeiten?« fragte er.
»Ich muß Ihnen leider einen negativen Report bringen. Aber das haben Sie ja sicherlich auch nicht anders erwartet«, sagte Holmes. »Ich habe mit Forbes gesprochen und ebenfalls mit Ihrem Onkel. Außerdem habe ich zwei verschiedene Arten von Nachfragen in Gang gesetzt.
Irgendwohin wird das sicherlich führen.«
»Aber sind Sie inzwischen nicht entmutigt,
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