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Das Reigate-Rätsel

Das Reigate-Rätsel

Titel: Das Reigate-Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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Ordnung anbelangt, auch nicht sonderlich konventionell. Ich habe das harte, rauhe Leben in Afghanistan kennengelernt, dazu kommt mein natürlicher Hang zum Bohemisten, so bin ich in puncto Ordnung viel lässiger, als es sich für einen Mediziner gehört.
    Aber ich kenne meine Grenzen. Gegen einen Mann, der seine Zigarren im Kohleneimer aufbewahrt und den Tabak im Zeh eines persischen Pantoffels, der seine unerledigte Post mit einem Taschenmesser aufspießt und in der Mitte einer holzverkleideten Wand aufbewahrt, also, von einem solchen Menschen hebe ich mich wohlgefällig ab. Ich bin auch immer dafür gewesen, daß Pistolenübungen ein Zeitvertreib in der frischen Luft sein sollten. Wenn Holmes von seiner merkwürdigen Laune gepackt in seinem Lieblingssessel sitzt und ausgerüstet mit seinem Sportgewehr und hundert Patronen ein >V R.< (Victoria Rex. - Es lebe die Königin) in die gegenüberliegende Wand schießt, dann wird weder die Luft noch der allgemeine Anblick des Zimmers besser.
    Unsere Wohnung war immer voll von Chemikalien und auch von Andenken an Verbrechen. Und diese Dinge hatten die üble Angewohnheit, dorthin zu wandern, wo sie am wenigsten zu suchen hatten. Daß irgendwelche Chemikalien plötzlich in der Butterdose auftauchen konnten, ist nur ein Beispiel unseres unmöglichen Haushaltes. Größere Schwierigkeiten bereiteten ihm die Papiere.
    Er hatte eine tiefe Abneigung, irgendein Dokument zu zerstören. Nichts, was ihn an einen vergangenen Fall erinnerte, durfte weggeworfen werden. Jedes Andenken schien ihm unendlich ans Herz gewachsen zu sein. Und doch konnte er sich nur höchstens ein- bis zweimal im Jahr dazu aufschwingen, die Dinge auch wirklich zu ordnen. Ich habe schon einmal in diesen unvollständigen Memoiren seine seltsamen Lebensphasen erwähnt. Die Ausbrüche der leidenschaftlichsten Energie, in denen er unvorstellbare Taten vollbringen konnte, die dann seinen Namen berühmt gemacht haben, wurden abgelöst von Zeiten absoluter Lethargie. In diesen Zeiten konnte er viele Stunden auf dem Sofa liegen und sich nicht rühren, oder er spielte auf seiner Violine, kramte in seinen Büchern und bewegte sich höchstens zwischen Sofa und Eßtisch hin und her. Und auf diese Weise sammelten sich über Monate hinweg seine Papiere an, bis schließlich jede Ecke unseres Zimmers mit Bündeln von Manuskripten und Aufzeichnungen vollgestapelt war, die auf gar keinen Fall verbrannt werden durften, die jedoch auch nicht an die Eigentümer zurückgegeben wurden. An einem Winterabend saßen wir zusammen am Kamin, Sherlock Holmes war dabei, Zeitungsausschnitte in ein Buch einzukleben. Ich gab mich der Hoffnung hin, daß er die nächsten zwei Stunden benutzen würde, unser Zimmer ein wenig wohnlicher zu machen. Er sah wohl ein, daß meine Bitte gerechtfertigt war, denn er ging mit reumütigem Gesicht in sein Schlafzimmer, aus dem er aber gleich darauf wieder auftauchte. Er zog einen Zinnkasten hinter sich her. Diesen schob er in die Mitte des Zimmers, schob einen Stuhl heran, auf den er sich hockte, und öffnete den Deckel. Diese Kiste war zu zwei Dritteln mit Papieren gefüllt, die er mit roten Bändern zugebündelt hatte.
    »Hier drinnen befinden sich so viele Fälle, Watson«, sagte er und sah mich mit spitzbübischem Lächeln an. »Wenn Sie wüßten, was ich alles in dieser Box aufbewahrt habe, dann würden Sie mich nicht bitten, noch mehr hineinzuräumen, sondern im Gegenteil, ein paar Fälle herauszuholen.«
    »Sind es Aufzeichnungen Ihrer früheren Fälle?« fragte ich. »Ich habe mir immer gewünscht, sie würden mir ein paar Ihrer Aufzeichnungen überlassen.«
    »Ja, mein Junge, dies sind meine Ausgangswerke, und sie stammen aus der Zeit, als mein Biograph begonnen hat, mich zu Ehren zu bringen.«
    Bündel für Bündel zog er mit liebevoll- zärtlicher Geste hervor. »Es sind nicht alles immer Erfolge, Watson«, sagte er, »aber manch hübsches kleines Problemchen ist schon dabei. Hier sind die Aufzeichnungen der Tarleton-Morde, ah, und hier der Weinhändler-Vamberry-Fall, hier das Abenteuer der alten Russin, ha, und hier die einmalige Affäre mit der Aluminiumbrücke. Dies ist der vollständige Bericht über Ricco Sowieso mit seinem Klumpfuß und seiner feindseligen Frau und ah - hier kommt etwas, das wirklich Spaß macht, ein wirkliches Problemchen fürs Köpfchen.«
    Sein Arm tauchte hinunter auf den Boden der Truhe und brachte eine kleine hölzerne Kiste hervor. Sie war mit einem gleitbaren Deckel

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