Das Reisebureau Thompson und Comp.
beiden Passagiere warfen einander einen vertrauten Gruß zu, dann drehte sich aber die Nachbarin Morgans noch einmal um und streifte diesen mit einem flüchtigen Blicke, der ihm jedoch genügte, die schöne Erscheinung aus dem großen Salon wiederzuerkennen.
Er stieß nun seine Tür auf.
Als er sie hinter sich schloß, stieg das Schiff, in den Fugen knarrend, ein gutes Stück empor und sank dann wieder in einen tosenden Schaumstrudel zurück. Und in dem Augenblicke, wo sich die erste Woge herangewälzt hatte, ging es auch wie ein Pfeifen durch die Takelage vom ersten Atemzuge des offnen Meeres.
Viertes Kapitel.
Das erste Zusammentreffen.
Bei Tagesanbruch war kein Land mehr in Sicht. Vom wolkenlosen Himmel glänzte die Sonnenscheibe blendend auf den ungeheuern Kreis der Meeresfläche nieder. Das Wetter war herrlich, und als ob der Dampfer sich ebenfalls der Schönheit der Natur erfreute, glitt er rasch dahin und zerteilte, wie in freundschaftlichem Kampfe, die kecken, kurzen Wellen, die ihm eine frische Brise aus Nordwesten entgegentrieb.
Als der Steuermann das sechste Glas anschlug, verließ der Kapitän Pip die Kommandobrücke, auf der er die ganze Nacht geblieben war, und übergab dem Obersteuermann die Führung des Schiffes.
»Westlichen Kurs halten, sagte er noch.
– Schön, Herr Kapitän«, antwortete der zweite Offizier, der nun die Brücke bestieg.
– Die Backbordwache zum Deckwaschen!« lautete sein erster Befehl.
Statt unmittelbar seine Kammer aufzusuchen, hatte der Kapitän erst noch einen Rundgang angetreten, wobei er alles auf dem Schiffe mit scharfem, prüfendem Auge musterte.
Er ging bis auf das Vorderkastell und beobachtete hier, über den Steven hinausgebeugt, wie sich der Dampfer auf den Wellen hob und senkte. Dann suchte er das Hinterdeck auf und betrachtete längre Zeit das hellere Kielwasser. Von da aus begab er sich nach dem Oberlichte des Maschinenraumes und horchte aufmerksam auf das metallische Dröhnen der Bleuelstangen und der auf-und absteigenden Kolben in den Dampfzylindern.
Schon wollte er sich entfernen, als sich eine galonierte Mütze aus einer engen Öffnung erhob. Der erste Maschinenmeister, Mr. Bishop, betrat das Deck, um sich hier einmal an der frischen Morgenbrise zu erquicken.
Die beiden Offiziere drückten einander die Hände, blieben dann aber Auge in Auge schweigend vor einander stehen, während der Kapitän einen forschenden Blick in die Tiefe warf, wo das eiserne Ungetüm, die Maschine, arbeitete.
Mr. Bishop verstand die stumme Frage.
»Ja, Herr Kommandant, es ist so!« sagte er mit einem leisen Seufzer.
Er erklärte sich nicht weiter. Der Kapitän schien durch die knappe Antwort jedoch hinlänglich unterrichtet zu sein, denn er stellte keine weitere Frage, sondern begnügte sich, sichtbar unzufrieden, mit dem Kopfe zu schütteln. Nachher setzten die beiden Offizier gemeinsam die vom Kapitän begonnene Besichtigung fort.
Noch gingen sie hier-und dorthin, als Thompson sichtbar wurde und das Spardeck bestieg.
Als dieser es auf der einen Seite betrat, kam auch Morgan von der andern herauf.
»Ah sieh, rief Thompson, da ist ja unser Herr Morgan. Na, haben Sie denn gut geschlafen, Herr Professor? Sind Sie zufrieden mit Ihrer schönen Kabine… Herrliches Wetter das, Herr Professor, nicht wahr?«
Morgan hatte instinktiv den Kopf umgedreht; er erwartete einen Passagier hinter sich zu sehen. Der Titel »Professor« konnte doch hier seiner bescheidnen Person nicht gelten.
Er kam aber nicht dazu, etwas auf die Anrede zu erwidern. Thompson hatte seine Rede plötzlich abgebrochen. Ihm schien ein andrer Gedanke durch den Kopf gefahren zu sein, denn er eilte spornstreichs die Treppe hinunter auf das Hauptdeck.
Morgan sah sich um, konnte aber nirgends einen Grund für dieses fluchtähnliche Verschwinden entdecken. Außer zwei Passagieren, die eben heraufgekommen waren, war das Spardeck völlig leer. Man hätte glauben können, das Erblicken der beiden Reisenden hätte Thompson vertrieben. Ihr Aussehen war jedoch keineswegs erschreckend… originell freilich und sonderbar, aber das ist doch etwas ganz andres.
Wenn es den Franzosen im Notfalle möglich ist, eine andre Nationalität als die ihrige anzunehmen, ohne die Zweifelsucht ihrer improvisierten Landsleute zu erwecken, so ist den Söhnen Albions eine solche Verwandlung doch ganz unmöglich. Um andre zu täuschen, haften am Engländer viel zu charakteristische Kennzeichen seiner Rasse, die zu verdecken ihm niemals
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