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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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Segelschiff, scharf am Winde hinstreichend, noch ziemlich gut vorwärtskommen würde, treibt ein Dampfer infolge der geringen Aushöhlung seines Rumpfes hilflos ab und bewegt sich fast ebenso viel mit seiner Langseite wie mit dem Bug vorn weiter.
    Obwohl der Kapitän sich keinen Illusionen hingab, hatte er doch diese Gangart versucht, in der Hoffnung, daß er damit allein dem Archipel der Kanarien näher kommen könnte. Die ganze Nacht war laviert worden, um gegen den Nordostpassat einigermaßen aufzukommen. Wie der Kapitän vorausgesehen hatte, war das Schiff weit abgetrieben worden, und das destomehr, weil es gleichzeitig in einer Strömung von zwei Knoten in der Stunde lag, die, ein Zweig des Golfstromes, an der Westküste Afrikas von Norden nach Süden hinfließt.
    Unter diesen Verhältnissen wäre es Torheit gewesen, dagegen ankämpfen zu wollen. Besser war es jedenfalls, die Strömung und den Wind zu benützen, um so schnell wie mögleich einen Nothafen zu erreichen.
    Einen solchen zu finden, boten sich nun zwei Wege. Der eine nach den französischen Besitzungen des Senegal, der andre nach den Inseln des Grünen Vorgebirges. Der Kapitän hatte sich für den zweiten entschieden. Wie er seinen Zuhörern erklärte, war die Entfernung dahin die gleiche, und er hielt sich dabei mehr fern von der Küste Afrikas, der er sich mit einem Schiffe von so schwacher eigner Bewegungsfähigkeit weiter zu nähern mit gutem Grunde fürchtete.
    Im übrigen lag kein Grund zur Beunruhigung vor. Der Wind war günstig und hier in der Gegend der Passate ließ sich erwarten, daß er in gleicher Weise anhalten würde. Es handelte sich jetzt also nur um eine Verlängerung der Reise, ohne daß deren Gefahren sich dabei irgendwie vermehrt hätten.
    Nach Beendigung seines Speechs grüßte der Kapitän, und nachdem er so manövriert hatte, daß das Schiff den neuen Kurs einschlagen mußte, begab er sich in seine Kabine und trug, ehe er sich niederlegte, in das Schiffsjournal den vorschriftsmäßigen Bericht über die Vorfälle ein, die sich bis dahin ereignet hatten.
    Die Passagiere hatten inzwischen ihre Ruhe vollständig wiedergefunden. Im Salon, worin es kurz vorher so geräuschvoll zugegangen war, herrschte jetzt tiefes Schweigen.
    Zu derselben Zeit wie seine Passagiere hatte auch Thompson die Mitteilung des Kapitäns erhalten. Jedenfalls kam alles, was hier vorfiel, auf das Schuldkonto des General-Unternehmers; daran zweifelte niemand. Und doch sah derselbe so unglücklich, so völlig zusammengebrochen aus, daß keiner das Herz hatte, ihm den geringsten Vorwurf zu machen. Was war er denn jetzt andres als ein Schiffbrüchiger, so gut wie alle übrigen?
    Da wurde die tiefe Stille durch ein lustiges Gelächter jäh unterbrochen. Alle richteten sich in die Höhe und erkannten verwundert, daß das von Roger de Sorgues ausging. Der belustigte sich herzlich über die unerwarteten neuen Umwege, und bemerkte gar nicht, wie sehr sich seine Gefährten über ihn wunderten.
    »Herr, mein Gott, lieber Herr, sagte er mit einem freundschaftlichen Klaps auf Thompsons Schulter, welche drolligen Reisen macht man doch mit so einer englischen Agentur! Da fährt man auf einem Dampfer nach den Kanarien ab und landet am Grünen Vorgebirge auf einem Segelschiffe; das ist doch ein Spaß, der sich sehen lassen kann!«
    Rogers unwiderstehliche Heiterkeit steckte auch die beiden amerikanischen Damen an und verbreitete sich auf das Spardeck, während im Salon sich die Zungen wieder lösten. Rogers Lachen hatte die gelähmten Nerven wieder belebt, besser als die dringlichsten Vorstellungen, als die weisesten Ratschläge hatte es den gesunkenen Mut aufs neue erhoben. Man begann diese Zugabe zur Lustreise mit leichterm Herzen hinzunehmen, ohne daß gerade alle den Optimismus des lustigen französischen Offiziers teilten.
    In der Tat rechtfertigte auch die gegenwärtige Lage diesen Rest von Unruhe. Es war ja keine einfache Spazierfahrt, die die »Seamew« hier unternahm. Zwischen der Insel Ferro und der ersten Insel des Grünen Vorgebirges galt es, ungefähr eine Strecke von siebenhundert Seemeilen zurückzulegen. Bei der Geschwindigkeit von fünf Knoten, die die Strömung und ihre notdürftige Segelfläche der »Seamew« erteilten, verlangten diese siebenhundert Meilen schwerlich weniger als acht Tage. Und was kann einem der launenhafte Neptun in acht Tagen nicht alles bescheren!
    Da aber die Verzweiflung doch auch nichts hätte nützen können, ergab man sich darein.

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