Das Reisebureau Thompson und Comp.
Juni. Um zwei Uhr vor dem Wind gewendet, um vier Uhr noch einmal. Bei Tagesanbruch Insel Ferro ungefähr zwanzig Meilen im Norden noch in Sicht. Die Flagge in Schau wehen gelassen. Sondiert, ohne Grund zu finden. Wir treiben vor dem Nordostpassat weiter ab. Um neun Uhr befinden wir uns etwa dreißig Meilen von der Insel Ferro. Steuer nach Süden ein Quart West; Kurs mit Backbordhalfen nach den Inseln des Grünen Vorgebirges.«
Als er den Schlußpunkt hinter seine Worte gesetzt hatte, streckte sich der Kapitän auf seinem Bette aus und schlief friedlich ein.
Leider besaßen nicht alle Passagiere der »Seamew« diese Seelenruhe, die es dem braven Kapitän Pip erlaubte, so eingreifende Ereignisse in so kurzen einfachen Worten aufzuzeichnen. Am vergangenen Abend war es nahe daran gewesen, daß eine Panik ausbrach und daß die Boote aufs Wasser gesetzt worden wären, als ob ein wirklicher Schiffbruch bevorstehe. Alle hatten sich aber, dank der Kaltblütigkeit des Kapitäns, dem man einmal ein unerschütterliches Vertrauen entgegenbrachte, allmählich wieder beruhigt.
Trotzdem waren die meisten Passagiere einen Teil der Nacht auf dem Spardeck geblieben, indem sie den Unfall besprachen und dessen wahrscheinliche Folgen erwogen. Unter diesen Gruppen stand Thompson gewiß nicht im Geruche der Heiligkeit. Er hatte die Lustreisenden nicht nur an ihrem Geldbeutel geschädigt, sondern er brachte sogar ihr Leben in Gefahr. Mit unverzeihlicher Sorglosigkeit hatte er sie – die bezügliche Aussage Bishops lautete hierüber geradezu vernichtend – aus Sparsamkeit auf einem alten, fast schon ganz dienstunfähigen Schiffe zusammengepfercht, einem alten Kasten, dem schon vor Beendigung der Fahrt der Atem ausging. Jetzt verstanden die Touristen, wie es der Agentur möglich geworden war, im Preise immer weiter herabzugehen, wodurch sich so viele Gimpel hatten fangen lassen.
Hier hatte nun Baker einen Unfall, den er mit Recht in sein Notizbuch einschreiben konnte. Ohne Zweifel ließ sich damit eine tüchtige Entschädigungsforderung begründen, wenn er je in die Lage kam, bei den englischen Richtern vorstellig zu werden.
Augenblicklich waren diese Richter ja sehr fern, und der für die überzeugendsten Argumente unempfindliche Ozean umgab an allen Seiten das steuerlose Schiff. Was sollte nun aus dessen Insassen werden? Nach welchem Punkt der Meere wurde der unlenkbare Dampfer, das treibende Schiff, hin verschlagen?
Da fragten sich alle, was das zu bedeuten habe. (S. 363.)
Wenn man jedoch den Kapitän sah, wie der von seiner Brücke aus alle Kommandos mit Ruhe erteilte, und wenn man sah, daß die »Seamew«, die jetzt alle Segel trug, wieder Fahrt machte und auf die Südküste der in der Nacht unsichtbar gewesenen Insel Ferro zuhielt, singen alle an, ruhiger zu werden. Am folgenden Tage würde man jedenfalls im Schutze einer Einbiegung des steilen Ufers liegen und konnte sich dann in nicht zu ferner Zeit auf einem der regelmäßigen Paketboote einschiffen.
Das Spardeck wurde allmählich leer. Alles schlief auf dem Hinterteil der »Seamew«, als der Steuermann Mitternacht schlug.
Mit Tagesanbruch erschienen die aus einem gewiß etwas unruhigen Schlafe erwachten Passagiere fast ohne Ausnahme wieder auf dem Deck. Wie enttäuscht fühlten sie sich aber, als sie zwanzig Seemeilen weit draußen die Nordküste der Insel Ferro erblickten, an der sie zu landen gehofft hatten.
Es bedurfte nichts Geringeren als des Anblickes des Kapitäns Pip, der, als ob gar nichts geschehen wäre, seine Promenade auf dem Deck fortsetzte, ihnen wieder etwas Mut einzuflößen. Dennoch wurden sie wieder ängstlicher, als sie sahen, wie sich das Land mehr und mehr von ihnen entfernte.
Da fragten sich alle, was das zu bedeuten habe, und es wurde als eine wirkliche Erleichterung empfunden, als der Kapitän die Passagiere ersuchen ließ, sich im Salon zu versammeln, um von ihm eine Erklärung zu erhalten.
In einem Augenblick war der Salon vollständig gefüllt und schwirrten Gespräche hin und her, die beim Eintritt des Kapitäns verstummten.
Mit wenigen Worten sprach sich dieser über die jetzige Lage aus.
Die »Seamew«, deren Maschine außer Tätigkeit gesetzt war, konnte nur noch auf ihre Segel rechnen. Ein Dampfer ist für diese Art von Fortbewegung freilich nur noch notdürftig eingerichtet; er kann dem Winde nur eine unzureichende Segelfläche bieten. Außerdem ist aber auch die Form seines Rumpfes dazu ziemlich unpassend, während ein
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