Das Reisebureau Thompson und Comp.
andre reden wollte. Morgan, dem ein übertriebener Stolz den Mund verschloß, hatte nichts versucht, das weiter zu klären, was auf dem Teyde nur schüchtern und andeutungsweise zutage getreten war, und Alice sah davon ab, noch mehr zu sagen, da sie schon genug gesagt zu haben glaubte. Beide nahmen von einander an, daß sie sich falsch verstanden hätten, und verblieben aus Stolz in dieser schmerzlichen, aussichtslosen Lage.
Ihre gegenseitigen Beziehungen trugen den Stempel ihrer unbehaglichen Empfindungen. Morgan, der die Vorwürfe, die ihm Alice gemacht hatte, zu wörtlich nahm, hielt sich etwas von ihr zurück, ja er vermied sogar streng jedes Alleinsein mit ihr und wenn Roger sich entfernte, folgte er ihm auf dem Fuße nach, ohne daß Alice Miene machte, ihn zurückzuhalten.
Roger sah diese Kälte zwischen beiden, er litt daran trotz seiner eignen Liebe, deren Dolly und er sich von Tag zu Tag klarer bewußt wurden, Alicens Mißstimmung verdüsterte aber doch seine angeborne Heiterkeit.
Diese vier Personen, die, jede auf ihre Art, der andern hätten die beste moralische Stütze sein können, waren jetzt im Gegenteil die unglücklichsten von allen.
Immerhin nicht gänzlich. Die Suprematie fiel Thompson zu. Mag einer noch so unbewußt und leichtherzig sein, es kommen doch Dinge vor, deren Ernst ihn unbedingt aufrüttelt. In einer solchen Lage befand sich hier Thompson. Wie lange würde die Gesellschaft am Grünen Vorgebirge zurückgehalten werden?
Wieviel Zeit würden die Reparaturen der verwünschten Maschine beanspruchen? Während dieses unvorhergesehenen Aufenthaltes fiel ihm die Sorge zu, Passagiere und Mannschaft, im ganzen gegen hundert Personen, zu ernähren und zu beherbergen. Das war ein Unglück, der Ruin seiner Hoffnungen, war ein ungeheurer Verlust statt eines erwarteten Überschusses.
Und dazu kamen noch die Prozesse, in die er nach der Heimkehr verwickelt werden sollte, denn Baker scherzte in dieser Beziehung offenbar nicht. Der Unfall, der das Leben der Passagiere in Gefahr setzte, die beträchtliche Verzögerung, die ihre Interessen berührte und schädigte, alles das mußte seinen Feinden ja eine gute Handhabe bieten, ihn anzugreifen. Thompson sah bereits das Gespenst des Konkurses an sich heranschleichen.
Wenn er aber gegen erwiesene Tatsachen nichts ausrichten konnte, war es doch vielleicht möglich, sich die Zukunft einigermaßen besser zu gestalten. Und wenn es ihm gelang, seine Passagiere etwas milder zu stimmen, so entging er voraussichtlich einem Teile der gefürchteten Reklamationen.
Diese Hoffnung zerschellte aber an der Traurigkeit an Bord. Alle Unzufriednen hier würden jedenfalls zu Revolutionären werden, sobald sie sich erst auf festem Lande in Sicherheit befanden. Um sie sich zu gewinnen, versuchte Thompson vergeblich alles Mögliche. Er bat Morgan, einen interessanten Vortrag zu halten. Kein Mensch stellte sich dazu ein. Er veranstaltete einen wirklichen Ball mit Kuchen und Champagner. Doch war das Piano arg verstimmt, und zwischen denen, die schlafen, und den andern, die tanzen wollten, erhoben sich ernstliche Meinungsverschiedenheiten.
Thompson verzichtete auf seinen Vorsatz, als ein neues Unheil ihn vollends niederschmetterte.
Das Schiff, das sich nach der Abfahrt von Teneriffa unter Dampf nach London und nicht nach dem Grünen Vorgebirge begeben sollte, hatte nur für sieben Tage Lebensmittel mitgenommen. Zunächst dachte niemand daran, desto größer war aber Thompsons Verzweiflung, als ihm Roastbeaf am Morgen zehn Uhr am 17. Juni meldete, daß man ohne starke Beschränkung des Regimes selbst diesen Abend kein Stück Brot mehr an Bord der »Seamew« haben würde.
Achtes Kapitel.
Wie eine verlöschende Lampe.
Das war eine ernste Verschlimmerung der Lage aller Passagiere und Seeleute, die man nun schon anfangen konnte Schiffbrüchige zu nennen.
Was sollte aus ihnen werden, wenn diese Fahrt sich verlängerte? Waren sie da nicht fast gezwungen, das Beispiel von der Medusa nachzuahmen, sich einer vom andern zu ernähren?
Diese Vermutung erschien nicht unannehmbar, schon nach den verlangenden Blicken, die dem dicken Piperboom nachfolgten und den Beweis lieferten, daß ähnliche Gedanken bereits in mehr als einem Gehirn aufkeimen mochten.
Unglücklicher Holländer! Aufgegessen zu werden ist ja sicherlich schlimm genug, noch schlimmer muß es aber doch sein, wenn man nicht einmal weiß, warum!
Piperboom mußte übrigens eine schwache Ahnung von der gegenwärtigen Lage
Weitere Kostenlose Bücher