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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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Horizont berührte, als die »Seamew« unterging. Ohne Widerstand, ohne Todeskampf verschwand sie in den Fluten, die sich dann ruhig über ihr zusammenschlossen. Einen Augenblick vorher sah man das Schiff noch, dann nicht mehr… das war alles.
    Die Touristen standen zu Bildsäulen erstarrt am Ufer, sie konnten das eben Geschehene nicht für Ernst nehmen, sie waren, wie der Dichter sagt, dadurch zu Steinen verwandelt.
    In fröhlichster Stimmung nach den Kanarien abzureisen und auf einer Sandbank des Grünen Vorgebirges anzukommen, damit ließ sich nicht gerade Staat machen. Ja, wenn sie noch Stürme auszustehen gehabt hätten, wenn ihr Schiff an Klippen zerschellt wäre! Doch nichts dergleichen war geschehen. Die Natur hatte sich ihnen immer gütig erwiesen: ein tiefblauer Himmel, leichte Winde, ein wenig erregtes Meer… kein Trumpf hatte ihrem Spiele gefehlt. Gerade heute herrschte das allerschönste Wetter.
    Und doch, hier standen sie… ans Land gesetzt… verlassen…
    Hat man schon jemals von einem solchen Schiffbruche gehört? Konnte man sich wirklich etwas noch Sinnloseres vorstellen?
    Und die Touristen standen hier mit weit aufgerissenem Munde vor dem unendlichen Meere, und kamen sich – gewiß nicht ohne Grund – ein wenig lächerlich vor.
Neuntes Kapitel.
Wo Thompson sich zum Admiral verwandelt.
    Die Nacht verging für die ehemaligen Passagiere der »Seamew« ziemlich gut. Betten hatten sie freilich nicht, der elastische Sand eignete sich aber vortrefflich, darauf zu schlafen.
    Der erste Sonnenstrahl weckte auch die trägsten Schläfer. Augenblicklich erhoben sich alle, um bald zu erfahren, was sie zu hoffen oder zu fürchten hätten.
    Die Sachlage erkannten sie auf den ersten Blick: ringsum vollständige Ode.
    Vor ihnen das Meer, ohne ein einziges Segel. Über das Wasser ragten noch die Masten der »Seamew« heraus, deren Leichnam zwanzig Meter tiefer in seinem nassen Grabe ruhte.
    An der andern Seite eine Wüstenei, deren Traurigkeit einem das Herz zusammenschnürte. An der Stelle, wo sie gelandet waren, lief das Ufer in eine schmale Spitze aus. Im Norden mit der trostlosen Erde verbunden und an drei Seiten vom Meere umgeben, war das nur eine Sandzunge kaum von einer Seemeile Breite, die wegen ihres Salzreichtums völlig unfruchtbar und mit höckrigen Muschelschalen bestreut war.
    Ängstlich fragten sich alle, welche Hilfe von einem solchen Lande wohl zu erwarten wäre, eine Antwort darauf fand aber niemand.
    Zum Glück wachte und sorgte Kapitän Pip für die bestürzte Gesellschaft.
    Als er sah, daß seine Passagiere aufgestanden waren, versammelte er sie um sich und setzte ihnen mit kurzen Worten die Lage auseinander.
    Diese war sehr einfacher Natur.
    Infolge der Vorkommnisse, auf die hier einzugehen der Kapitän nicht für angezeigt hielt, sagte er nur, daß man sich gegenwärtig in Not auf der südöstlichen Küste der Salzinsel, fast am Ende der Schiffbruchspitze befinde. Da die Salzinsel aber keinerlei Hilfsquellen biete, handle es sich darum, so schnell wie möglich auf Mittel zu sinnen, sie zu verlassen.
    Vorläufig hatte der Kapitän schon für das Notwendigste Vorsorge getroffen. Auf sein Geheiß war Morgan in Begleitung eines Bootsmannes bereits seit einer Stunde nach dem Leuchtturm aufgebrochen, der sich am Ende der Südspitze, nicht weit vom Schauplatze der Katastrophe erhob. Hier gaben sich die beiden Abgesandten zu erkennen und suchten sich Lebensmittel zu verschaffen. Man hatte nur deren Rückkehr abzuwarten.
    Die Mitteilung des Kapitäns erinnerte seine Zuhörer, daß sie vor Hunger fast umkamen. Bei der moralischen Unordnung, in die sie das Abenteuer versetzt hatte, hatten sie das ein wenig vergessen. Ein Wort genügte aber, ihren Appetit, den sie seit fünfzig Stunden nicht zu stillen vermocht hatten, aufs neue zu erwecken.
     

    Die »Seamew« verschwand in den Fluten. (S. 383.)
     
    Immerhin mußten sie ihr Leiden wohl oder übel mit Geduld tragen, da es ja doch kein Mittel gab, es abzukürzen. Die Touristen ergaben sich also darein, auf dem Strande ein Stück hin-und herzugehen, wobei ihnen die Stunden allerdings nur langsam vergingen. Glücklicherweise blieb das Wetter schön und der Himmel unter einer frischen Nordwestbrise, die von Stunde zu Stunde zunahm, völlig rein.
    Fast gegen acht Uhr kehrten Morgan und der Bootsmann von ihrer Mission zurück und brachten einen von einem Maultier gezogenen und von einem Negerkutscher geführten Karren mit. Die Beladung des Karrens, die

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