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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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ärgerte.
    Wenn der Kapitän seine Beunruhigung auch verbarg, war sie doch nichtsdestoweniger vorhanden. Die ganze Nacht blieb er auf der Brücke, doch welches Mittel hätte er gehabt, ein in Sicht kommendes Land mit einem Fahrzeug ohne Seele anzulaufen, mit einer Schiffsleiche, die keinem Steuer mehr gehorchte?
    Doch vor diese Frage sah er sich noch nicht gestellt. Das Morgenrot des 19. beleuchtete nur eine ungeheure flüssige Ebene, ohne ein Eiland, ohne ein Felsenriff.
    Dieser Tag wurde ungemein lästig. Von früh an singen die gestern nur halb befriedigten Magen an, Hunger zu schreien. Wenn die kränklichen und schwachen Passagiere diese anbrechende Fastenzeit auch halbwegs ertrugen, so war sie für die kräftigen doch eine wirkliche Qual. Unter den zweiten fiel besonders Piperboom durch sein eingefallnes Gesicht auf. Am Tage vorher hatte er sein Bedauern nur durch einen undefinierbaren Blick bekannt gegeben, womit er das Stummbleiben der Glocke und das Fehlen jeder Vorbereitung zu einer Mahlzeit konstatierte. Als heute aber die Stunden hingingen, ohne daß weder zu einem ersten, noch zu einem zweiten Frühstück geläutet wurde, da hielt er es nicht länger aus. Er suchte Thompson auf und gab ihm mit Hilfe einer ausdrucksvollen Pantomime zu verstehen, daß er vor Hunger umkomme. Als aber Thompson ihm durch Gesten seine Ohnmacht, dem abzuhelfen, bekannt hatte, da verfiel der Holländer der vollen Verzweiflung.
    Wieviel weniger unglücklich war dagegen der schwammähnliche Johnson. An Alkohol mangelte es an Bord der »Seamew« nicht, und was machte es da aus, daß man nichts essen konnte, wenn nur genug zu trinken da war? Johnson trank aber mehr als je vorher, und seine ewige Stumpfsinnigkeit ließ ihn keine Furcht anwandeln.
    Baker hatte nicht ein gleiches Arzneimittel bei der Hand, und doch schien auch er immer in bester Laune zu sein. Ja er steckte sogar ein blühendes Gesicht auf, so daß sich Morgan gegen Mittag nicht enthalten konnte, seine Verwunderung darüber auszudrücken.
    »Sie haben also wohl gar keinen Hunger? fragte er ihn.
    – Bitte, erlauben Sie: ich habe nicht »mehr« Hunger. Das ist ein Unterschied.
    – Gewiß! gab Morgan zu. Und Sie würden sehr gütig sein, wenn Sie mir ihr Mittel verraten wollten.
    – Das ist höchst einfach: man braucht nur wie gewöhnlich zu essen.
    – Zu essen? Ja, aber was?
    – Das will ich Ihnen zeigen, antwortete Baker, indem er Morgan mit in seine Kabine nahm. Es wird wohl für zwei genug da sein.«
    In der Kabine war aber nicht für zwei, nein, für zehn genug vorhanden.
    Morgan bekam zwei ungeheure Koffer mit Lebensmitteln angefüllt zu sehen, nachdem er unverbrüchliches Schweigen darüber gelobt hatte.
    »Wie, rief er in heller Bewunderung dieser Vorsorglichkeit, auch daran haben Sie gedacht!
    – Wer unter der Flagge der Agentur Thompson reist, muß an alles denken,« antwortete Baker mit ernster Miene, während er Morgan noch anbot, sich aus seinen Vorräten zu bedienen.
    Dieser nahm das nur an, um seine Beute den zwei Amerikanerinnen zu bringen, die ihr alle Ehre antaten, nachdem sie die Versicherung erhalten hatten, daß ihr vom Himmel gesandter Lieferant seinen Anteil schon verzehrt hätte.
    Die übrigen Passagiere, denen ein solches Labsal versagt blieb, fanden die Zeit merkwürdig lang. Welcher Aufschrei der Erleichterung ertönte aber, als gegen ein Uhr Nachmittag vom Fockmast herunter der Ruf »Land! Land!« hörbar wurde.
    Alle hielten sich für gerettet und richteten die Blicke nach der Kommandobrücke. Der Kapitän war nicht auf seinem Posten.
    Es erschien aber doch notwendig, ihn zu unterrichten. Ein Passagier klopfte an die Tür seiner Kabine. Der Kommandant war weder darin, noch irgendwo auf dem Hinterdeck zu finden.
    Das fing an, beunruhigend zu werden. Mehrere Touristen verstreuten sich über alle Teile des Schiffes und riefen nach dem Kapitän. Sie fanden ihn nicht. Inzwischen hatte sich, niemand wußte wie, die Nachricht verbreitet, daß ein Matrose, der in den Frachtraum hinuntergeschickt worden war, gemeldet habe, darin stände das Wasser drei Fuß hoch.
     

    Alle stürzten nach den Booten. (S 379.)
     
    Das erregte eine Bestürzung sondergleichen. Alle stürzten nach den Booten, die so viele gar nicht hätten aufnehmen können. Der Kapitän hatte jedoch, als er sich entfernte, gewisse Befehle hinterlassen. Die Anstürmenden stießen auf eine Abteilung Seeleute, die die Boote bewachten, und der Menschenstrom wurde unwiderstehlich auf das

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