Das Reisebureau Thompson und Comp.
sofort eine unheimliche kupferrote Färbung an. Um sechs Uhr hatte die rauchartige Wolke bereits den halben Himmel eingenommen, als die ersten Kommandos des Kapitäns hörbar wurden.
»Außenklüver einbinden! Oberbramsegel und Gaffeltoppsegel einbinden! Das Großbramsegel reffen!«
Eine Viertelstunde später wurde das Großbramsegel ganz eingebunden, weitre Segel teils gerefft, teils ganz eingezogen und nur ein Schönfahrsegel gesetzt.
Diese Arbeiten waren vollendet, als der Kapitän auch das Großsegel, die Focksegel und die Toppsegel ganz einziehen ließ, so daß nur noch ein Klüversegel und ein Schönfahrsegel am Besanmaste übrigblieben.
Die Luft war inzwischen immer noch ruhig. Die tiefe Stille hatte etwas Unheimliches an sich.
Genau um acht Uhr brach das Unwetter blitzartig schnell und von einer wahren Sündflut von Regen begleitet los. Die »Santa-Maria« neigte sich fast zum Kentern und fing dann, da sie den Bug dem Meere zuwendete, auf den hohen Wogen zu stampfen an.
Der Kapitän veranlaßte nun die Passagiere, lieber schlafen zu gehen, da jetzt doch nichts zu machen wäre, als zu warten. Bis zum Morgen lag die »Santa-Maria« auf den tollen Wellenbergen, und die Passagiere wurden auf ihren Lagerstätten furchtbar umhergeworfen. Der Sturm zeigte zum Unglück auch in der Nacht keine Neigung, schwächer zu werden, im Gegenteil raste er am Morgen eher mit verdoppelter Wut.
Der Kapitän Pip war übrigens keineswegs unzufrieden mit der Weise, wie die »Santa-Maria« sich dabei hielt. Sie stieg ruhig auf den Wellen empor, wobei das Deck kaum von Spritzern eingenäßt wurde. Weniger zuverlässig erschien ihm das Tauwerk, und er murrte recht sehr, auf São-Thiago nur eine recht minderwertige Sorte davon erhalten zu haben. Die Wanten und die Stagtaue hatten bei den Stößen, die sie vom Meere erhielten, sich schon recht bedenklich verlängert, und die Untermasten standen in ihrer Spur nicht mehr fest.
Den ganzen Tag über wuchs nun noch die Gewalt des Sturmes. Zweifellos hatte man hier mit einem jener Zyklone zu kämpfen, die manchmal ganze Länder verwüsten. Vor der Mittagstunde wurden die Wellen haushoch und wälzten sich wütend durcheinander. Häufig gingen sie auch über das Deck der »Santa-Maria« hinweg.
Der Kapitän versteifte sich darauf, das Schiff dem Sturme entgegenzuhalten. Gegen sieben Uhr abends hatte sich der Wind so sehr verstärkt und der Wogengang war so bedrohlich geworden, während die Masten in beunruhigender Weise hin-und herschwankten, daß er es endlich für unmöglich ansah, diese Lage beizubehalten. Er beschloß also, vor dem Sturm – wie man sagt – zu reiten.
Bei den Verhältnissen, in denen sich die »Santa-Maria« befand, ist eine volle Wendung immer ein gefährliches Manöver. Zwischen dem Augenblick, wo ein Schiff seinen Bug den tobenden Wellen zuwendet, und dem, wo es Geschwindigkeit genug erreicht hat, daß diese unter seinen Bordrand hinweggleiten, liegt allemal einer, wo es den Wogen seine Seitenwand zukehrt. Ein Schiff, das in diesem Augenblick von einer stark anprallenden Welle getroffen wird, würde wie ein Pfropfen umhergeschleudert werden. Es kommt viel darauf an, das Meer zu beobachten und eine verhältnismäßig ruhige Minute abzuwarten. Die Wahl dieser Minute ist von größter Wichtigkeit.
Der Kapitän Pip hatte selbst die Ruderpinne ergriffen, während die Mannschaft sich bereit hielt, das Marssegel nach Backbord umzulegen.
»Räumen lassen!« kommandierte der Kapitän, der mit Verständnis den richtigen Zeitpunkt zum Wenden erfaßt hatte und das Ruder schnell umlegte.
Das Schiff wendete sofort nach Steuerbord und fiel in den Wind. Doch noch war nicht alles überwunden. Es genügt nicht, daß ein Fahrzeug den Wellen seinen Achter zukehrt, es muß auch erst eine gewisse Geschwindigkeit angenommen haben, um die Gewalt der anstürmenden Wogen zu mildern.
»Scharf in den Wind!« lautete der weitre Befehl des Kapitäns, sobald das Schiff sich gedreht hatte. Focksegel nachfieren!… Den Jager aufgeien!«
Das Manöver war geglückt. Unter dem Druck des Bramsegels, das dem Winde seine breite Fläche bot, durchschnitt die »Santa-Maria« nach einigen Sekunden die Wellen mit der Geschwindigkeit eines galoppierenden Pferdes. Aus übergroßer Vorsicht schleppte sie noch ein Fischernetz hinter sich her, das sich in der Segelkammer gefunden hatte und nun dazu diente, das Überschlagen der Wellen zu verhindern.
Daß das Schiff jetzt mit dem Winde im Rücken lief
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