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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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statt vor dem Bug, gewährte den Passagieren eine verhältnismäßige Ruhe. Das empfanden sie auch alle, und jede Gefahr erschien ihnen jetzt merklich vermindert.
    Der Kapitän war jedoch andrer Ansicht. Nach Westen zu fliehen, bedeutete für ihn, daß er auf die Küste Afrikas stoßen würde, ehe nur dreihundertfünfzig Seemeilen in dieser Richtung zurückgelegt waren, und für dreihundertfünfzig Seemeilen bedurfte es bei der rasenden Geschwindigkeit, die der Sturm der »Santa-Maria« verlieh, keiner langen Zeit.
    Er blieb deshalb die ganze Nacht auf Wache. Am 8. Juli stieg aber die Sonne empor, ohne daß sich seine Befürchtungen bewahrheitet hätten. Auf allen Seiten lag der Horizont frei. Der Kapitän hoffte schon, sich in seiner Schätzung getäuscht zu haben, und wünschte, daß ein Nordwind es ihm ermöglichte, schnell in Saint-Louis am Senegal einzulaufen.
    Unglücklicherweise stellte sich dieser Nordwind nicht ein, dagegen hielt der Westnordwest unverändert an, und die »Santa-Maria« trieb wie ein Schnellzug auf die Küste Afrikas zu.
    Durch einige schwatzhafte Leute von der Besatzung von der Sachlage unterrichtet, teilten die Passagiere jetzt die Besorgnis ihres Kapitäns, und aller Augen suchten im Osten nach dem Lande, dem das Schiff unaufhaltsam zusteuerte.
    Erst am Abend gegen sechs Uhr wurde Land vor Backbord sichtbar. Die Küste bildete hier eine Art Golf, denn die »Santa-Maria« flog daran wie ein Pfeil hin, statt normalerweise auf sie zuzufahren.
    Bald aber wich die Küstenlinie mehr nach Westen ab, und schnell verkleinerte sich die Entfernung, die die »Santa-Maria« von ihr trennte.
    Am Backbord allein stehend, starrte der Kapitän auf das niedrige, sandige, im Hintergrunde von Dünen begrenzte und von davor aufragenden Klippen umgebene Ufer. Plötzlich richtete er sich hoch auf, und nachdem er tüchtig ins Wasser gespuckt hatte, sagte er zu Artimon:
    »In einer halben Stunde sind wir der Katze, Master, so leicht aber – beim Barte meiner Mutter – ergeben wir uns nicht!«
    Da Artimon die Ansicht seines Herrn zu teilen schien, kommandierte der Kapitän mitten im Heulen des Sturmes und im Brausen der Wogen:
    »Ruder scharf Backbord! Die Besansegel fieren, Jungens!«
    Die Mannschaft stürzte sich an die Trissen, zwei Minuten später lag die »Santa-Maria« wieder mit dem Bug nach vorn und drehte langsam von der Küste ab. Wiederum wurde sie vom Wogengang auf-und niedergeworfen, während starke Sturzseen von einem Ende zum andern über das Deck rollten.
    Der Kapitän spielte hiermit seine letzte Karte aus. Ob das eine gute war und er das Spiel damit gewinnen sollte? Fast hätte man es anfänglich glauben können.
    Wenige Minuten, nachdem das Schiff aufgehört hatte, vor dem Winde zu laufen, schienen Wind und Meer sich etwas beruhigen zu wollen. Bald ließ nun der Kapitän die Großsegel setzen und um ein Quart anluven. Unter diesen Verhältnissen war es wenigstens nicht unmöglich, wieder in freies Wasser zu kommen.
    Leider veränderte sich das Wetter aber nun plötzlich ins Gegenteil. Der vorher so starke Wind wurde schnell schwächer und schwächer. Nach wenigen Stunden blieb die von dem noch immer hohen Wogengang auf-und abgeschüttelte »Santa-Maria« in der Windstille, die kein Hauch mehr unterbrach, auf derselben Stelle liegen.
    Der Kapitän schloß aus dieser plötzlichen Veränderung, daß er sich jetzt im Mittelpunkt des Zyklons befand, und zweifelte keinen Augenblick, sehr bald wieder von dem Sturme gepackt zu werden. Augenblicklich waren nun alle Segel nutzlos, die »Santa-Maria« gehorchte dem Steuer nicht mehr, sie war nun gleich einem Wrack, das der Seegang nach und nach an die Küste wirst.
    Um sieben Uhr lag das Ufer nur noch fünf Faden entfernt.
    Dreihundert Meter vom Backbord brachen sich die Wellen wütend an dem gefährlichen Klippengürtel.
    Es ist nur selten, daß man an die afrikanische Küste so nahe herankommen kann. Meist dehnen sich vor ihr, und zuweilen bis auf fünfzehn Kilometer weit hinaus, Untiefen aus. So mußte man es hier einem glücklichen Zufall Dank wissen, die »Santa-Maria« trotz allen sonstigen Ungemachs nach einem der wenigen Punkte verschlagen zu haben, wo diese ungeheuern Sandbänke durch Strömungen und die Brandung weggespült worden waren.
    Weiter durfte man sich diesem freilich nicht nähern; der Meeresgrund erhob sich schnell. Die ununterbrochen benutzte Sonde zeigte schon nicht mehr als zwanzig Faden Tiefe an. Der Kapitän beschloß deshalb,

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