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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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lotrecht hinunterführenden Pfade, dessen Schwierigkeiten die zunehmende Finsternis noch vermehrte. Vor Erschöpfung stellten die Träger auch ihr Singen bald ein und lösten einander schon von zwei zu zwei Minuten ab.
    Endlich, halb zehn Uhr, kam man in San-Vincent vor der Tür eines Gasthauses an, dessen liebenswürdiger, geschäftiger Wirt sich in der Sorge für seine späten Gäste geradezu vervielfachte.
    In San-Vincent wurden die Hamacs nun verlassen. Die Touristen sollten von hier aus die vortreffliche Landstraße, die diesen Flecken mit Funchal verbindet, auf schon gestern für sie hierher gebrachten Pferden zurücklegen.
    Als sie am folgenden Tage das dicht am Meere liegende Gasthaus verließen, kamen sie noch durch das Dorf San-Vincent, das lachend im Grunde eines grünenden Tales eingenistet liegt, welches sich auffällig von den schroffen Felsen seiner Umgebung unterscheidet. Später verlief der Weg in Serpentinen weiter, und die Pferde kletterten nun den steilen Abhang des Berges hinauf.
    Seit dem gestrigen Tage hatte sich das Wetter gründlich geändert. Es herrschte zwar keine Leste mehr, doch schimmerte auch kein Himmelsblau hernieder. Eine Seltenheit auf Madeira, trieb der Wind über die Insel schwere Wolken, die in recht niedrigen Schichten der Atmosphäre schwebten. Die Touristen waren noch nicht ganz zweihundert Meter hoch gestiegen, als sie in einen dichten Nebel kamen, der höchstens gerade noch erlaubte, den Weg zu erkennen. Überdies enthielt die Luft einen Überschuß an Elektrizität; offenbar drohte ein Gewitter. Menschen und Tiere litten unter der elektrischen Spannung. Schweigend benutzten die Menschen nicht die Erleichterung, die die neue Art ihrer Fortbewegung dem Plaudern gewährte, und die Tiere klommen mit gesenktem Kopfe, dampfenden Nüstern und in Schweiß gebadet den beschwerlichen Weg empor.
    Zwei Stunden später aber tauchten die Touristen nach Überschreitung des Passes der Encurmada plötzlich wieder aus dem Nebelmeer hervor. Unter ihnen zerteilten sich die von schwachem Winde getriebnen Wolken an den Kanten der Berge, über ihnen leuchtete dagegen ein tiefer Azur, von keiner Wolke unterbrochen, und ihre Blicke schweiften im Norden und im Süden bis zu den fernen Wellen des Ozeans hinaus.
    Die Luft war frisch in dieser Höhe. Die Pferde und die Reiter empfanden den wohltätigen Einfluß der veränderten Temperatur. Leider wurde die Straße bald wieder zum Pfade, der einen gemütlichen Spazierritt unmöglich machte.
    Vom Passe der Encurmada an begann für die Touristen der Abstieg über den südlichen Abhang der Insel. Zunächst hatten sie da die endlosen, halbkreisförmigen Felsengebilde der »Rocha-Alta« zu passieren. Sehr stark verschmälert, verläuft hier der Weg längs einer steilen Schlucht, auf deren Grunde ein infolge der Entfernung unbedeutend erscheinender Bergbach plätschernd hinströmt.
    Anderthalb Stunden lang trabten alle in dieser Weise weiter, mit der Felswand auf der einen und dem leeren Raume auf der andern Seite. Trotz der Nachhilfe der Arrieros erschien diese Wegstrecke den Ausflüglern recht lang, bis die Felswand am Ende eines schmalen Ganges plötzlich aufhörte und der nach rechts abbiegende Pfad sich wieder zur Straße verbreiterte.
    Niemand beeilte sich jedoch, auf diese jetzt wieder sehr gute Straße einzubiegen. Wie zu einer gedrängten Rotte zusammengeschlossen, waren alle in Betrachtung des vor ihnen liegenden Bildes versanken. Sie standen hier am Rande des alten Zentralkraters von Madeira. Vor ihnen senkte sich bis zu achthundert Meter Tiefe ein Abgrund hinab, der jeder Beschreibung spottete, und verblüfft bewunderten sie das Meisterwerk des Schöpfers aller Dinge.
    Schweigend blickten sie hinab in den einst von Feuer und Blitzen erfüllten Abgrund, als in vorgeschichtlicher Zeit die ganze Insel in Flammen stand, ein ungeheurer Leuchtturm auf dem ungeheuern Meere! Lange Zeit hatten hier die Blitze gezuckt, war die Lava aus hundert Vulkanen geflossen und hatte das Meer angefüllt, das Wasser zurückgedrängt und neue Ufer gebildet. Dann war die vulkanische Kraft erschöpft, die Vulkane waren erloschen, der unnahbare Brandherd zur lieblichen, für lebende Wesen mütterlichen Insel geworden. Der letzte nur hallte von Donnerschlägen noch wieder, als die Fluten schon Jahrhunderte lang an die abgekühlten Ufer schlugen und alle andern Vulkane eingeschlafen waren.
    Dann waren noch weitere Jahrhunderte vergangen und auch sein Wüten hatte sich

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