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Das Reisebureau Thompson und Comp.

Das Reisebureau Thompson und Comp.

Titel: Das Reisebureau Thompson und Comp. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Verne
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wandten sich seine Augen von den Pasteten den Schinkenschnitten zu, liebkosten im Vorübergehen die verführerischen Flaschen und verrieten sehr deutlich die Klagen eines knurrenden Magens.
    Alice hatte Mitleid mit dem unglücklichen Trollgaste. Sie lud den Señor Don Manuel de Goyaz freundlich ein, an dem Frühstücke teilzunehmen.
    »Ich danke Ihnen, Señora, das schlage ich nicht ab, sagte er, ohne sich weiter nötigen zu lassen. Und glauben Sie ja nicht, in schlechter Gesellschaft zu speisen. Die etwas schadhafte Hülle verbirgt Ihnen einen »Morgado« (hohen Herrn), wie man unsereinen hier nennt, und Sie sehen in mir einen der reichsten Landbesitzer Madeiras.«
    Bei den etwas zweifelnden Blicken der Touristen begann Don Manuel zu lachen.
    »Aha, rief er, da wollen Sie gewiß die Frage stellen, wie dann wohl die andern aussähen. Nun, deren Kleider haben noch mehr Löcher als die meinigen, ihre Häuser noch weniger Steine als meine Quinta, das ist der ganze Unterschied. Nicht wahr, eine höchst einfache Sache?«
    Die Augen des Morgado glänzten heller. Das Thema war ihm sicherlich geläufig und lag ihm am Herzen.
    »Nein nein, es gibt nichts Einfacheres, fuhr er fort, dank den einfältigen Gesetzen, die hierzulande herrschen. Die Landgrundstücke, die wir nicht selbst kultivieren können, haben unsre Vorfahren dereinst pachtweise vermietet, und zwar wie es hier Gebrauch ist, auf sehr lange Zeit. Der Pachtvertrag ist eine Art Besitztum des Farmers: er tritt ihn einem andern ab, verkauft ihn oder überträgt ihn auf seine Kinder, und als Entgelt überläßt er dem Eigentümer die Hälfte vom Ertrage des Landes. Übrigens darf er Mauern errichten, Häuser erbauen, überhaupt auf dem ihm verpachteten Grund und Baden herstellen, was ihm nur beliebt, und wenn der Eigentümer beim Ablauf des Pachtvertrages wieder das Land übernehmen will, das ihm gehört, muß er alles Neugeschaffene gegen Barzahlung kaufen. Wer von uns wäre das aber imstande? Prinzipiell Eigentümer, ist uns tatsächlich doch alles geraubt, vorzüglich, weil die Farmer seit dem Auftreten der Reblaus, unter dem Vorwande, keine Einnahmen zu haben, auch keinen Zins mehr entrichten. Das dauert nun bereits zwanzig Jahre an und die Folgen davon haben Sie ja vor Augen. Ich besitze von meinen Vorfahren so viel Land, daß ich eine große Stadt darauf erbauen könnte, habe aber so wenig Mittel in der Hand, daß ich nicht einmal mein Haus ausbessern lassen kann.«.
    Das Gesicht des Morgado hatte sich verdüstert. Mechanisch hielt er sein Glas hin, das man zu füllen sich beeilte. Diese Tröstung mußte ihm wohl behagen, denn er verlangte recht häufig nach ihr. Jetzt sprach er kaum noch, sondern aß nur für vierzehn Tage und trank gleich für vier Wochen. Allmählich wurde sein Blick wieder milder, seine Augenlider schlaffer, endlich fielen die Augen ganz zu, der Morgado sank langsam zur Erde und schlief selig ein.
    Die Reisenden hüteten sich bestens, ihn zu wecken, um Abschied zu nehmen.
    »Man sucht ja die Lösung der sozialen Frage sehr weit, sagte Roger, als die Gesellschaft weiterzog. Sapperment, hier ist sie! Mit einem solchen Gesetze würden die Bauern schnell genug große Herren werden!
    – Und die Herren dafür Bauern, antwortete Morgan melancholisch. Dann sind sie an der Reihe, einen Stammbaum von Empörern zu begründen.«
    Roger wußte auf dieses traurige Argument nichts zu erwidern, und die kleine Truppe setzte ihren Weg stillschweigend fort.
    Gestärkt und ausgeruht, gingen die Träger jetzt schnell dahin, übrigens verlief ja der Weg bergab. In weniger als einer halben Stunde gelangten die Ausflügler über einen schmalen, launisch gewundenen Pfad hin nach der kleinen natürlichen Plattform, die den Gipfel des Cabo Girao abschließt.
    Von hier aus konnten sie die ganze Südküste der Insel übersehen. Ihnen gerade gegenüber zeigte die von Porto-Santo ihr baum-und buschloses, mageres Profil. Im Westen sah man den Flecken Calheta mit einem Hintergrund hoher, nebelumwallter Berge, im Osten noch Camara de Lobos, Funchal und das Cap São-Lourenço.
    Die weite Strecke, die aber noch bis Sonnenuntergang zurückzulegen war, machte es unmöglich, das schöne Panorama längere Zeit zu betrachten. Die Gesellschaft zog daher gleich weiter, und auf der bald wieder erreichten Straße schritten die Träger tüchtig dahin.
    Diese Art zu reisen ist zwar sehr bequem, dagegen weniger geeignet, ein Gespräch zu unterhalten. Die einen von den andern getrennt,

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