Das Reliquiar
schönste Tag in Eurem Leben sein.«
»Dann bitte ich Euch umVerzeihung für mein schmerzendes Herz«, erwiderte Beatrice.
»Ich verspreche Euch, dass Ihr glücklich sein werdet. Bei meiner Ehre, ich werde alles versuchen, Euch vor Freude lächeln zu machen.«
»Mehr verlange ich nicht, mein Gemahl.«
Im Arbeitszimmer des Professors saß Elena wieder auf dem Sofa. In ihrem Blick und in ihren Worten kam tiefe Verzweiflung zum Ausdruck.
Walton und Nicholas beobachteten sie fasziniert. Drau ßen war es inzwischen dunkel geworden, und der Professor wusste, dass er Elena bald aus der Hypnose wecken musste, aber seine Neugier war zu groß. Er beschloss, noch einige Minuten damit zu warten.
Plötzlich unterbrach sich Elena und sah geradeaus.»Müssen wir wirklich gehen?«, fragte sie, streckte die Hand aus und stand auf. Furcht glomm in ihren Augen.
Nicholas wandte sich an den Professor. »Was passiert?«, fragte er leise.
»Für das Brautpaar ist der Moment gekommen, die Hochzeitsgemächer aufzusuchen«, flüsterte Walton. »Die Familien und Freunde begleiten sie und lassen sie an der Tür allein. Das war damals so üblich.«
»Wecken Sie Elena, Professor«, drängte Nicholas. »Ich komme mir allmählich vor wie ein Voyeur.«
»Gleich, Nicholas. Dies ist alles sehr interessant.«
Begleitet von einer großen Gruppe aus Verwandten und Freunden, gingen Urbano und Beatrice zu den Hochzeitsgemächern. Beatrice senkte verlegen den Blick, als
immer wieder schlüpfrige Bemerkungen gemacht wurden, doch das Lächeln ihres Mannes deutete darauf hin, dass er die Anspielungen für amüsant hielt. Am liebsten hätte sie ihre Hand aus der seinen gelöst und wäre weggelaufen, aber sie zwang sich, mit ihm zu gehen, fühlte sich dabei zwischen Pflicht und Rebellion hin- und hergerissen.
Vor der Tür verwandelte sich Beatrices Widerspenstigkeit in Entsetzen. Sie richtete einen so verzweifelten Blick auf ihre Mutter, dass diese sich verpflichtet fühlte, sie zu umarmen und ihr ins Ohr zu flüstern, es werde alles gut werden. Anschließend musste Donna Laura ihre Tochter fast ins Zimmer stoßen, denn Beatrice wollte sich nicht von ihr lösen. Schließlich wurde die Tür hinter dem Brautpaar geschlossen.
»Endlich sind wir allein, meine Gemahlin«, sagte Urbano und lächelte.
Er ging ins Nebenzimmer, und Berta, Beatrices Amme, half ihr dabei, das schwere Brautkleid abzulegen. Sie streifte ihr ein Nachthemd über und fügte ihm zwei goldgelbe Babuschen hinzu. Beatrice starrte ins Leere und gehorchte Bertas Anweisungen, die ihr schließlich einen undefinierbaren – vielleicht tadelnden, vielleicht verständnisvollen – Blick zuwarf und ging.
Unmittelbar darauf kehrte Urbano zurück, gehüllt in einen brokatenen Morgenrock.
Beatrice erstarrte und ballte die Fäuste. Alles in ihr drängte danach, den Mann von sich zu stoßen und schreiend zu fliehen, aber stattdessen zwang sie sich, unbewegt dazusitzen, während er sie auszog und zum Bett trug.
Alles geschah sehr schnell.Auch der plötzliche Schmerz
dauerte nur wenige Augenblicke. Schließlich löste sich Urbano mit einem leisen Grunzen von ihr und schlief ein.
Beatrice weinte lautlos. Sie war halb eingenickt, als sie sich von einer Stimme gerufen fühlte, die aus weiter Ferne kam, und ihr ruhiger Klang löste die Furcht in ihr auf.
»Jetzt habe ich sie erreicht«, sagte Walton und sah Elena an, die sich wieder aufs Sofa gelegt hatte. Er berührte sie nicht, beugte sich aber zu ihr vor. »Hörst du mich, Elena?«
Sie drehte den Kopf und sah ihn wortlos an.
»Es ist alles in Ordnung, meine Liebe«, sagte er in einem beruhigenden Ton. »Du wachst jetzt auf und kehrst zu uns zurück. Ich zähle bis drei. Du erwachst als Elena Brandanti und fühlst dich ruhig und glücklich. Hörst du mich?«
Nach kurzem Zögern entspannte sich Elena zwischen den Sofakissen und nickte.
»Gut«, murmelte Walton. »Und jetzt... eins... zwei … drei.«
Elena blinzelte und atmete tief durch. Ihr Blick glitt vom Professor zu Nicholas, von dem die Anspannung endlich wieder wich. Nach einigen Sekunden setzte sie sich auf und strich ihr Haar zurück.
»Ich glaube, wir könnten jetzt einen Tee vertragen«, sagte Walton und ging, um Anna Bescheid zu geben.
Kurz darauf kehrte er zurück und schaltete den Recorder aus. Erneut sah er Elena an und wartete auf eine Reaktion. »Fühlst du dich gut?«, fragte er sie.
»Ich denke schon«, erwiderte Elena und rieb sich die Arme. »Mir ist
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