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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Seymour
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es nicht geregnet -, dachte er daran, dass er wenigstens für einige Tage keinen Hunger würde leiden müssen.

Schloss Sandriano, 3. November 2006
    Es war nicht ganz einfach gewesen, das Begräbnis zu organisieren. Der Graf hatte klare Anweisungen gegeben, die eine begrenzte Zahl von Personen vorsahen, doch es kamen viel mehr Menschen zur Trauerfeier und anschließend auch zum Schloss. Elena fürchtete die Menschenmenge, und um sich unter all den Fremden nicht allein zu fühlen, hatte sie Enzo Lovati zu sich gebeten.
    Aber sie konnte kaum Zeit mit ihm verbringen. In einem schlichten schwarzen Kleid, das Haar hinten zusammengebunden, musste sie in die Rolle der Hausherrin schlüpfen. Dafür hielten sie alle Besucher, die sich ihr vorstellten und einige Worte mit ihr wechselten.
    Es waren größtenteils alte Leute, und deshalb überraschte es Elena ein wenig, einen eleganten jungen Mann zu sehen, der einen dunklen Anzug trug und ihr lächelnd die Hand reichte. Etwas in seinem Gesicht erschien ihr vertraut... »Kennen wir uns?«, fragte sie und erwiderte das Lächeln.
    »Nein, wir sind uns noch nie begegnet, aber du bist genauso, wie ich mir dich vorgestellt haben«, erwiderte der junge Mann. »Ich bin Leone Caetani di Villareale, dein Cousin.«
    Elena riss die Augen auf. »Mein Cousin?«
    »Ich fürchte, Großvater hat es versäumt, dir von mir zu erzählen.«
    »Entschuldige, aber ich verstehe nicht... Mein Vater hatte keine Brüder.«
    »Aber eine Schwester namens Sophie. Besser gesagt, eine Halbschwester aus der ersten Ehe unseres Großvaters
mit der Baronin Elfriede von Grünigen, die im Zweiten Weltkrieg starb. Elfriede war... Nun, es ist nicht der geeignete Moment, um darüber zu reden. Ich hoffe, du bedauerst nicht, dass ich gekommen bin. Ich wohne in Lausanne und habe in der Zeitung vom Tod des alten Grafen gelesen... Immerhin gehöre ich auch zur Familie.«
    »Natürlich«, erwiderte Elena ein wenig verlegen.
    »Ehrlich gesagt, ich habe befürchtet, dass du mich nicht sehr freundlich empfangen würdest.«
    »Wieso?«
    »Nun, vielleicht ist es dir unangenehm, nicht Alleinerbin zu sein. Wie dem auch sei, ich bin gar nicht hier, um Anspruch auf das Erbe zu erheben.«
    »Gibt es noch andere Verwandte, von denen ich wissen sollte?«, fragte Elena und sah sich um.
    »Meine Mutter lebt noch, ist aber sehr krank. Mein Vater starb vor einigen Jahren. Ich habe weder Brüder noch Schwestern.«
    »Verstehe«, sagte Elena und beschloss, das Gespräch zu beenden. »Entschuldige, aber ich muss gehen. Dort ist jemand, der...«
    »Geh nur. Wir sehen uns bestimmt wieder, denn ich bleibe bis zur Testamentseröffnung hier. Sie findet morgen statt, oder?«
    Elena zögerte und sagte dann: »In dem Fall solltest du vielleicht hier im Schloss wohnen. In gewisser Weise bist du hier ja zu Hause.«
    »Ich bleibe gern, wenn ich nicht störe.«
    »Du bist willkommen. An Platz mangelt es hier bestimmt nicht.« Elena lächelte, nickte und ging dann zu
Enzo Lovati, der allein in einer Ecke des Saals stand. Sie hängte sich bei ihm ein. »Ich brauche etwas zu trinken«, sagte sie.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Enzo.
    »Ich musste gerade feststellen, dass ich einen Cousin habe aus der ersten Ehe meines Großvaters mit einer deutschen Baronin. Die Familie Brandanti ist immer wieder für eine Überraschung gut.« Elena nahm sich ein Glas Sekt.
    »Meinst du den Burschen, mit dem du eben gesprochen hast?«
    »Ja. Mich hätte fast der Schlag getroffen, als er sich vorstellte.Warum all diese Geheimniskrämereien? Nicht einmal mein Vater wusste davon... Zumindest hat er mir nie davon erzählt.«
    »Wer weiß? Vielleicht war es eine Ehe, an die er sich nicht gern erinnerte. Was beunruhigt dich? Befürchtest du, dass er einen Teil des Erbes für sich beanspruchen könnte?«
    »Ich bin eher verwirrt als beunruhigt. Er behauptet, nichts zu wollen, beabsichtigt aber, bis zur Testamentseröffnung zu bleiben.Was ich ihm natürlich nicht verwehren kann. Ich habe ihm vorgeschlagen, hier im Schloss zu wohnen, um ihn besser kennenzulernen.«
    »Gute Idee. Es geschieht nicht jeden Tag, dass ein Verwandter aus dem Nichts auftaucht. Geht es dir gut? Du bist so blass.«
    »Ja, es geht mir gut. Der Tod meines Großvaters hat mich mitgenommen. Erst höre ich jahrelang nichts von ihm, und dann... Außerdem gibt es hier so viel zu tun.«
    Enzo lächelte. »Ich verstehe. Nimm dir alle Zeit, die
du brauchst. Für eine Weile komme ich auch ohne meine beste

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