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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Seymour
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gibt und ob jemand versucht hat, die Tür des Zimmers aufzubrechen. Ich hoffe, das Licht hatte nichts zu bedeuten, denn die Vorstellung, dass ein Fremder durch den Turm geschlichen ist, gefällt mir ganz und gar nicht.«
    »Wir sehen uns dort gemeinsam um«, sagte Leone. »Und wenn wir zu dem Schluss gelangen, dass dort tatsächlich jemand gewesen ist, verständigen wir die Polizei.«
     
    Im noch matten Licht des neuen Tages richtete Elena einen langen, prüfenden Blick auf die Tür. Kein Zweifel: Sie wies nicht die geringsten Spuren eines Einbruchs auf. Elena fragte sich, ob es sich vielleicht doch um eine Halluzination gehandelt hatte, als Leone zu ihr trat.
    »Was entdeckt?«
    »Nein, nichts.«
    »Hast du gehofft , etwas zu entdecken?«
    Elena zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Irgendeinen Hinweis darauf, dass ich keine durchgeknallte Träumerin bin.«
    »Wo ist der Schlüssel für diese Tür?«
    »Das habe ich vorhin schon Marta gefragt. In einer Schreibtischschublade im Arbeitszimmer von Großvater, meinte sie.Warum?«

    Leone sah zur nebelumhüllten Spitze des Turms hoch. »Ich würde mich dort oben gern einmal umsehen. Was hältst du davon?«
    Elena zögerte. Eine seltsame Furcht erfasste sie bei der Vorstellung, die lange, steile Treppe emporzusteigen, die zu dem Zimmer führte, das zu Porzias Grab geworden war. Aber sie wusste auch: Wenn sie sich dieser Furcht nicht stellte, würde sie sie nie überwinden. »Warte hier. Ich hole den Schlüssel aus Großvaters Arbeitszimmer.«
     
    Die Fußabdrücke waren ganz deutlich zu sehen: Jemand war mit regennassen Schuhen die staubige Treppe hochgestiegen. Draußen hatte der Regen alle Spuren fortgewaschen, aber drinnen boten die Stufen einen deutlichen Hinweis. Das schwache Licht, das Elena im Turm gesehen hatte, war keine Halluzination gewesen.
    »In der vergangenen Nacht war tatsächlich jemand hier«, sagte Leone.
    »Es wäre mir lieber gewesen, wenn ich mich geirrt hätte«, erwiderte Elena und begann damit, die Treppe hochzusteigen.
    Nach jeweils drei Treppenabschnitten gab es einen Absatz, der Zugang zu einigen kleinen Zimmern mit geschwärzten Wänden gewährte. Es roch nach Schimmel und den Exkrementen von Mäusen und Vögeln, die sich im Turm eingenistet hatten. Elena und Leone folgten den Fußspuren, die bis an die Tür zu Porzias Zimmer führten. Dort wiesen die Leisten aus massivem Eisen un übersehbare Kratzspuren auf.
    »Allem Anschein nach ist es dem Unbekannten nicht gelungen, die Tür zu öffnen«, sagte Leone. »Und er hat
sein Werkzeug zurückgelassen, mit dem er sich Zugang verschaffen wollte«, fügte er hinzu und hob das Brecheisen auf. »Sollen wir uns das Zimmer ansehen? Ich kann die Eisenleisten lösen...«
    Elena zögerte nur einen Moment. »Na schön. Öffnen wir die verdammte Tür.«

Hafen von Brindisi, 6. Oktober 1208
    Als Arrigo den Hinweis erhielt, dass die Galeere gleich anlegen würde, ging er an Deck und umfasste mit seinen behandschuhten Händen die Reling. Zum Glück war es nicht Sommer, dachte er, denn sonst hätte er sich irgendeine Rechtfertigung für die Handschuhe einfallen lassen müssen. Sie dienten nicht etwa als Schutz vor Kälte, sondern verbargen die Male seiner Krankheit. Der schreckliche Verdacht war in Acri zur Gewissheit geworden, wo ihn ein Arzt untersucht hatte. Er wusste jetzt, dass es keine Hoffnung mehr für ihn gab, und bevor er diese Welt verließ, musste er noch eine letzte Pflicht erfüllen.
    Die Rampe wurde ausgelegt, und dann begannen die Seeleute sofort mit dem Ausladen. Eine kleine Gruppe aus Bewaffneten erreichte den Pier, bahnte sich einen Weg durchs Gedränge und bezog Stellung.
    Der Kapitän des Schiffes, ein Templer mit so dunkler Haut wie ein Sarazene, näherte sich Arrigo und sagte: »Dort ist Eure Eskorte, Herr. Die Brüder des Tempels bringen Euch sicher heim.«
    Arrigo wandte sich dem stolzen jungen Mann zu, mit dem er während der endlosen Abende auf See lange Gespräche
geführt hatte. Er nickte. »Ich wünsche Euch alles Gute, Corrado. Möge Gott mit Euch sein.«
    »Und mit Euch, Herr«, erwiderte Corrado.
    Er überquerte den wackligen Steg, und ein Soldat brachte ihm ein Pferd. Arrigo biss die Zähne zusammen, stieg auf und wusste, dass ihm das Reiten bald überhaupt nicht mehr möglich sein würde. Er drehte das Pferd, um ein letztes Mal dem jungen Templer zuzuwinken, der seinen Gruß erwiderte. Dann ritt er los, hinter ihm die bewaffnete Eskorte.
    Sie verließen Brindisi in

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