Das Reliquiar
Frieden ruht – aber um was es auch geht, Ihr könnt Euch damit an mich wenden.«
»Dafür danke ich Euch sehr. Ich möchte tatsächlich ein Anliegen vortragen.«
»Ich bin ganz Ohr.«
Manfredi erklärte die Gründe für seine Reise nach Venedig und warum er sich an den Templerorden wandte. »Für seine Dienste erhielt mein Vater das Versprechen, dass man ihm bei der Suche nach der verlorenen Reliquie behilflich sein würde. Ich habe geschworen, die Mission zu Ende zu bringen, und deshalb bitte ich Euch, das Versprechen einzulösen.«
»Von dieser Angelegenheit wusste ich nichts«, murmelte
der Templer. »Und sosehr ich es auch bedauere … Ich fürchte, ich muss Euch enttäuschen. Derzeit kann der Orden Euch nicht die Hilfe leisten, die Ihr wünscht und zu der er sich verpflichtet hat. Unsere Ressourcen sind im Moment im Heiligen Land gebunden und können nicht für andere Dinge eingesetzt werden. Ich kann Euch nur vorschlagen, nach Rom zu reisen – dorthin führt die letzte Spur der Reliquie, wie ich gehört habe. Vielleicht erfahrt Ihr dort mehr.« Er seufzte. »Ihr wisst sicher, wie gering die Aussichten sind, das Kreuz nach all den Jahren wiederzufinden. Andererseits... Da es sich um ein sehr wertvolles und seltenes Objekt handelt, könnte es in die Hände eines Prälaten geraten sein. Ich gebe Euch gern einige Schriftstücke mit, die es Euch ermöglichen, mit wichtigen Repräsentanten der Kirche zu sprechen und Ermittlungen anzustellen.«
Manfredi hatte sich eine ganz andere Hilfe erhofft, nickte aber. »Wenn Ihr nicht mehr tun könnt, nehme ich Euer Angebot gern an.«
Schloss Sandriano, 8. November 2006
»Etwas gefunden?«, fragte Elena und sah zu Nicholas, der in einem Dokument las.
»Nichts, das uns weiterhelfen könnte«, erwiderte er. »Aber aus einer historischen Perspektive sind diese Unterlagen hochinteressant.Wie sieht’s bei dir aus?«
»Fehlanzeige.« Elena seufzte. »Ich habe dieses Heft meines Großvaters gefunden. Es ist eine Art Tagebuch, in dem allerdings einige Seiten fehlen. Sie betreffen das Ende der dreißiger Jahre – jemand hat sie herausgerissen.«
»Dein Großvater?«
»Vielleicht. Aber warum?«
»Vielleicht steckt ein Moment des Zorns dahinter. Stammen die Seiten nicht aus der Zeit, als er mit der deutschen Baronin verheiratet war und sich dann von ihr trennte?«
»Ja. Aber ich verstehe nicht, warum er wichtige Notizen verschwinden lassen sollte.«
»Möglicherweise waren sie gar nicht wichtig.«
»Mag sein«, sagte Elena. »Aber jemand hat sie genommen. Wer außer meinem Großvater hatte Zugang zum Archiv?«
»Nach der Beschreibung zu urteilen, die du mir von deinem Großvater gegeben hast... Er scheint mir nicht der Typ gewesen zu sein, der jemandem erlaubte, sich hier drin umzusehen.«
»Ja. Das bedeutet, dass sich jemand heimlich Zutritt verschafft hat. Und das bringt uns zu... seiner Frau! Nick, und wenn es die Baronin war, die die Seiten aus dem Tagebuch gerissen und die Akte über Beatrice an sich genommen hat?«
»Weshalb?«
»Keine Ahnung. Vielleicht aus reiner Boshaftigkeit. Oder um das Material interessierten Dritten zu geben.«
»Das wäre eine gute Erklärung für das Verhalten deines Großvaters seiner Frau gegenüber. Und es würde bedeuten, dass die betreffenden Unterlagen wichtige Informationen enthalten haben.«
»Wenn das stimmt... Warum hat die Baronin dann keinen Gebrauch davon gemacht?«
»Vielleicht konnte sie nicht. Möglicherweise waren die Informationen codiert, und ihr fehlte der Schlüssel. Denkbar wäre, dass sie an der Entschlüsselung gearbeitet hat... Dein Großvater muss außer sich gewesen sein, als er entdeckte, dass ihn seine Frau, der er vertraute, hinters Licht geführt hat.«
»Lassen wir unserer Fantasie nicht etwas zu freien Lauf?«
»Wir sind jetzt seit drei Tagen hier und ackern staubige Akten durch. Ich kriege allmählich Klaustrophobie. Was hältst du davon, wenn wir uns ein wenig die Beine vertreten?«
Elena lächelte. »Einverstanden.«
»Gut. Lass uns...« Das Telefon klingelte, bevor Nicholas den Satz beenden konnte. »Nimm nicht ab«, schlug er vor.
»Es könnte die Polizei sein«, sagte Elena und nahm den Hörer. »Hallo?«
»Signorina Brandanti? Guten Tag, ich bin es, Kommissar Valente.«
»Ah, guten Tag, Kommissar. Gibt es etwas Neues?«
»Ja. Aber leider ist es keine gute Nachricht. Beim Flug nach Lausanne um zwanzig Uhr am vierten November befand sich kein Passagier mit dem Namen Ihres Cousins an
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