Das Reliquiar
Bord. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass er in dieser Stadt oder einem anderen Ort in der Schweiz wohnt. Nach unseren Informationen sind alle Mitglieder der Familie Caetani verstorben. Die Schweizer Polizei arbeitet mit uns zusammen.«
»Das ist doch nicht möglich«, murmelte Elena betroffen. »Soll das heißen, dass ich einen völlig Fremden als
Gast im Schloss beherbergt habe? Aber warum hat er sich als mein Cousin ausgegeben?«
»Das wissen wir noch nicht. Es gibt da noch eine andere Sache, die den Wagen betrifft, der am Morgen des vierten November den Sekretär abgeholt hat. Jemand hat ihn beim Gut gesehen und das Kennzeichen notiert – er kam vom diplomatischen Korps des Vatikan.«
Elena nahm diese Neuigkeit mit verblüfftem Schweigen entgegen.
»Natürlich müssen wir das noch überprüfen«, fuhr der Kommissar fort. »Aber wenn es sich als wahr herausstellen sollte, könnten die Ermittlungen in eine völlig neue Richtung führen. Sie wissen vermutlich nicht, ob der Sekretär Ihres Großvaters jemanden im Vatikan kannte, oder?«
»Ich fürchte, das wusste nicht einmal mein Großvater. Hier im Schloss weiß garantiert niemand etwas darüber.«
»SaverioVannelli hat seine Geheimnisse gut geschützt«, sagte Valente. »Nun, mir scheint, dass die Ermittlungen in zwei verschiedene Richtungen gehen sollten, und ich werde sie in beiden vorantreiben. Was den Vatikan betrifft, muss ich natürlich große Vorsicht walten lassen, aber ich bezweifle, dass sich dabei viel ergibt. Auch die Kirche hütet ihre Geheimnisse gut.«
Rom, 16. Juni 1215
Simones Unruhe wuchs. Er hatte Marozia nach Hause gebracht, was bei einer Prostituierten nicht erlaubt war, und es konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, dass
sie ihm den Kopf verdreht hatte. Er wäre zu allem bereit gewesen, um sie ganz für sich zu haben.
Er wälzte sich im Bett herum und überlegte, ob er einfach alles aufgeben und mit Marozia fliehen sollte, um woanders ein neues Leben mit ihr anzufangen. Aber wo? Und dann war da noch die Familie. Sein Vater hatte ihn in aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass es für ihn Zeit wurde, an Heirat zu denken. Und er hatte auch keinen Hehl daraus gemacht, wen er heiraten sollte. Es erschien ihm undenkbar, seinem Vater nicht zu gehorchen. Vielleicht gab es eine andere Möglichkeit, Marozia zu behalten …
Sie schlief neben ihm und schnarchte leise. Das schwarze Haar umrahmte ihr Gesicht.
Simone stand auf, ging zum Schränkchen vor dem Bett und kramte in einer Schublade.
»Was machst du?«, fragte Marozia schläfrig.
»Komm her.«
Sie sah ihn fragend an. »Hier ist es so schön warm...«
»Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte Simone.
Marozia verließ das Bett widerwillig und trat zu ihm. Als sie sah, was der junge Mann in der Hand hielt, leuchtete Habgier in ihren Augen.
»Den Blick kenne ich.« Simone lächelte. »Dieses Kreuz habe ich von meinem Onkel geerbt, dem Kardinal, der vor kurzer Zeit gestorben ist. Pures Gold und seltene Edelsteine. Ist ein Vermögen wert.«
»Du hast mir seit langem nichts mehr geschenkt«, gurrte Marozia.
Simone lachte. »Hast du die wertvolle Kette vergessen?«
»Und? So schön die Kette auch sein mag – dies ist etwas Besonderes.Wenn du mich lieben würdest...«
»Wenn du mich lieben würdest, wie du behauptest, nähmst du dieses Kleinod als Pfand unserer Liebe. Und du würdest die anderen Männer aufgeben und nur noch für mich da sein.«
Marozia sah Simone an und blickte dann auf das Kreuz hinab. Schließlich nahm sie es und murmelte: »So viel Großzügigkeit verdient zweifellos eine angemessene Belohnung...« Mit diesen Worten zog sie den jungen Mann zum Bett.
Vatikanstadt, 8. November 2006
»Seine Eminenz möchte nicht gestört werden. Er hat mir strikte Anweisung gegeben«, sagte Padre Vassalli und musterte den vor ihm stehenden Mann.
»Sie gelten nicht für mich«, erwiderte der Besucher unbeeindruckt. »Teilen Sie Seiner Eminenz mit, dass ich hier bin. Sofort.«
Die feste Entschlossenheit in der Stimme veranlasste den Sekretär, seinen Kopf zu senken. Er mochte den Mann nicht, aber seit einer Weile begegnete er ihm leider ziemlich oft. Er kam und ging, wie es ihm gefiel, und er entschied, wann der Kardinal ihn empfangen sollte. Ein Mann, der weder Diskretion noch Respekt kannte, dachte Padre Vassalli bitter, als er an die Tür des Arbeitszimmers von Kardinal Fabrizio Rosati klopfte.
»Herein«, erklang die Stimme des Prälaten.
Der Sekretär blieb im
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