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Das Reliquiar

Das Reliquiar

Titel: Das Reliquiar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Seymour
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Antonio an. Deshalb hatte er an die Tür der Sakristei geklopft und den Gegenstand nach kurzem Zögern vorgezeigt.
    »Warum hast du mir das Kreuz gebracht?«
    »Weil ich nicht weiß, was ich damit machen soll«, erwiderte Antonio. »Und an wen sollte ich mich sonst wenden, wenn nicht an Euch? Ich hoffe, Ihr könnt mir helfen.«
    »Es ist ein Objekt voller Schönheit«, bemerkte der Priester nachdenklich. »Und zweifellos von großem Wert. Womit ich nicht nur den monetären Wert meine, sondern auch das, was es repräsentiert. Dieses Kreuz ist ein heiliges Symbol. Es symbolisiert unseren Glauben.«
    »Ich weiß.«
    »Du kannst es natürlich nicht für dich behalten und
solltest es der Pfarrkirche schenken. Ich werde das Kreuz so aufbewahren, wie es ihm angemessen ist.«
    Antonio nickte. »Behaltet es, und gebt gut darauf Acht«, sagte er und lächelte. »Es ist ein Geschenk Gottes.«
    Als der Fischer gegangen war, nahm sich Gilberto einige Sekunden Zeit, das schöne Kreuz zu bewundern. Dann entschied er, es ins Tabernakel zu legen; dort sollte es bleiben, bis er einen endgültigen Ort dafür gefunden hatte. Auf dem Weg dorthin hörte er, wie sich die Tür der kleinen Kirche öffnete, und er zuckte zusammen, als er Maria erkannte. Rasch wandte er sich dem Altar zu, kniete nieder und bekreuzigte sich und ging dann der jungen Frau entgegen. Das goldene Kreuz ließ er in der Tasche seiner Kutte verschwinden.
    »Bist du gekommen, um zu beichten?«, fragte er.
    Maria schüttelte den Kopf und senkte den Blick. »Ich muss Euch sprechen, Padre.«
    »Es ist fast Zeit für die Vesper.«
    »Es geht um eine wichtige Angelegenheit, die auch Euch betrifft«, betonte Maria.
    »Na schön.Was hast du auf dem Herzen?«
    »Ich erwarte ein Kind.«
    »Ein Kind?«
    »Ja, Padre, und bald kann ich es nicht mehr verbergen«, antwortete Maria. Sie öffnete den abgetragenen Mantel und zeigte ihren gewölbten Bauch.
    Gilberto hatte plötzlich einen Kloß im Hals. »Warum kommst du deshalb zu mir?«
    »An wen sollte ich mich sonst wenden? Das Kind ist von Euch, und Ihr müsst mir helfen.«

    »Wie kannst du sicher sein, dass das Kind von mir ist?«, brachte Gilberto hervor.
    Maria lächelte. »Vor und nach Euch hat mich niemand berührt. Wenn es nicht der Heilige Geist war, kann das Kind nur von Euch sein.«
    »Sprich nicht gottlos!«, zischte der Priester. Er atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. »Welche Hilfe erwartest du von mir?«, fragte er und dachte voller Angst an die Konsequenzen seiner schrecklichen Sünde.
    »Ich brauche ein bisschen Geld, um das Dorf vor der Geburt des Kindes zu verlassen. Eigentlich verlange ich gar nicht viel.«
    »Ich bin alles andere als reich«, sagte Gilberto.Wie von ganz allein tastete seine rechte Hand nach dem Gegenstand in der Kuttentasche, und er sah Maria an, die gespannt auf eine Antwort wartete. »In Ordnung. Gib mir einige Tage Zeit. Ich beschaffe das Geld.«

Edinburgh, 5. Oktober 2006
    »Heute Abend hatten wir Glück«, sagte Professor Walton lächelnd. Er sah Elena an, die noch immer an ihrem Platz saß und in Gedanken versunken war. Nicholas stand neben ihr. »Ich glaube, wir haben uns einen Drink verdient«, fügte er hinzu, ging zur Bar und schenkte Scotch ein. Sie waren allein im Arbeitszimmer, und das Feuer im Kamin war heruntergebrannt. »Zwei Patienten haben eine recht überzeugende Geschichte erschlossen. Kein schlechtes Ergebnis.«
    Elena nahm ihr Glas entgegen und sah Walton verwundert
an. »Was meinen Sie mit ›eine recht überzeugende Geschichte erschlossen ‹?«
    Walton reichte Nicholas das andere Glas, lächelte erneut und zuckte mit den Schultern. »Ich meine das, was jeder andere Forscher auch sagen würde: Die Hypnose ist real und die Reaktion der hypnotisierten Person authentisch, nicht von mir provoziert. Trotzdem, ich weiß nicht, woher die anderen Persönlichkeiten kommen, die sich manifestieren. Die Leute, die an diesen Sitzungen teilnehmen, wollen oft daran glauben, reinkarniert zu sein und schon einmal gelebt zu haben. Man kann also nicht ausschließen, dass sie sich durch emotionale Autosuggestion in jemand anderen hineinversetzen.«
    »Die Furcht der jungen Melanie war echt und sehr eindrucksvoll«, warf Nicholas ein. »Ich glaube, bei ihrer Regression ist es uns allen kalt über den Rücken gelaufen.«
    »Ja. Nun, es gibt keine absolute Gewissheit dafür, dass die bei einer Regression zum Vorschein kommende Persönlichkeit wirklich eine reinkarnierte Seele

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