Das Rennen zum Mars
Entdeckung dieser Größenordnung bearbeiten zu wollen, war verrückt.
Möglicherweise übersah sie etwas Wichtiges – bestimmt würde sie etwas übersehen.
Als die Beleuchtung sich automatisch einschaltete, schreckte sie auf. Die Dämmerung hatte schon eingesetzt, und sie würde im Temperatursturz zum Habitat zurückeilen müssen.
Der Rest mußte warten.
Während sie den Anzug anlegte, fühlte sie sich wie Viktor Frankenstein, der in der Abgeschiedenheit seines zugigen alten Schlosses irre Experimente anstellte. Doch hatte selbst Frankenstein noch Igor, mit dem er Gespräche führen konnte.
* * *
Als sie am Ende des Tages aus der Dusche kam, war Viktor im Gemeinschaftsbereich und hielt Zwiesprache mit dem Großbildschirm.
Sie hielt inne. Der Monitor zeigte rötliche Hügel, an denen die ersten, schräg einfallenden Sonnenstrahlen sich brachen. Im Vordergrund stand Lee Chen in einem himmelblauen Raumanzug.
»… haben interessante Auswüchse am östlichen Abhang gefunden. Wir sind weiter gegangen als ihr … eure Spuren waren noch zu sehen. Unser Ziel ist es, eine breitere Palette von Proben zu sammeln und auf euren bisherigen Erkenntnissen aufzubauen.« Chen ging langsam nach links und trat aus dem Blickfeld. Die Kamera folgte ihm. Julia sah den Schatten ihres Rovers.
»Sie benutzen unseren Übertragungssatelliten«, flüsterte Viktor ihr zu.
»Eine Abmachung mit Axelrod?«
»Oder mit der NASA. Ich weiß nicht, ob und an wen Axelrod die Rechte abgetreten hat.«
»… Gerda und ich werden in Kürze Bodenproben in einem Terrain nehmen, das dem gleicht, wo Marc und Julia Proben genommen haben. Ich beabsichtige, unabhängig von Ihnen die stratigraphische Dichte und die Datierung verschiedener Gesteinsformationen zu verifizieren.«
»Gute Idee«, sagte Julia und beugte sich in den Erfassungsbereich der Kamera. »Wir hatten uns schon gefragt, wieso wir euch nicht erreicht haben.«
Chen nickte. »Ein Übertragungsproblem. Ich hoffe, es ist nun gelöst.«
»Ihr drei seid für drei Tage draußen gewesen?«, fragte sie.
»Ja. Wir haben die Ausrüstung getestet. Weil wir uns über Satellit verständigen, arbeiten wir mit anderen Frequenzen als Sie.«
»Friert ihr euch wenigstens einen ab?« fragte Viktor sarkastisch.
»Wir gewöhnen uns dran. Die Temperaturschwankungen sind enorm. Im Schatten ist es immer kalt. Wenigstens kühlt die dünne Atmosphäre nicht so schnell aus wie der Boden.
Ich friere immer an den Füßen. Wie schützen Sie sich denn vor der Kälte?«
»Haben eine Heizung im Rover installiert«, sagte Viktor. »Und ihr solltet nun auch in euren Rover gehen. Ich würde von einer Betrachtung des Nachthimmels abraten.«
»Ein sehr guter Rat. Wir haben ihn letzte Nacht leider mißachtet; Claudine hat sich vielleicht Erfrierungen an einem Zeh zugezogen.«
» Autsch! « Viktor zuckte zusammen. »Ist mir in der ersten Woche auch passiert.«
»Aber ich rufe noch aus einem anderen Grund an«, sagte Chen.
»Wir werden morgen zum Schiff zurückkehren. Kommen Sie doch zum Mittagessen vorbei.«
»Danke. Wir werden kommen.« Viktor schaute über die Schulter.
»Ich sehe schon, daß nicht alle in der Lage sein werden, der Einladung zu folgen. Die Vorbereitungen für den Start …«
»Julia und ich werden auf jeden Fall kommen«, sagte Viktor. »Sollen wir etwas mitbringen?«
»Keine Sorge, wir haben genug zu essen.«
Sie tauschten noch ein paar Höflichkeiten aus, und dann brach Chen die Verbindung ab. »Was wollte er überhaupt?«, fragte Julia.
»Vielleicht fühlen sie sich einsam.«
»Oder sie wollen herausfinden, wie wir mit den Arbeiten am ERV vorankommen.«
Viktor grinste. »Auf der Erde werden Wetten in Höhe von mehreren Milliarden Dollar aufs ERV abgeschlossen, habe ich in den Nachrichten gehört.«
»Du meinst, an Axelrod vorbei?«
»Logisch. Ich wünschte, ich könnte selbst eine Wette plazieren.«
Sie erhaschte einen Blick auf seine schelmisch zuckenden Mundwinkel. »Du hast’s schon versucht, nicht wahr?«
»Wollte mein Bankguthaben an meine Mutter transferieren, damit sie die Wette für mich abschließt. Aber das sei nicht erlaubt, hieß es.«
»Axelrod?«
»Ich nehm’s an. Er will nicht, daß die Besatzung Wetten auf ihr eigenes Schicksal abschließt.«
»Würde aber für gute Publizität sorgen, wenn wir auf uns selbst wetten würden.«
»Trotzdem wundert es mich nicht. Schließlich kann er es nicht als Nachricht verkaufen.«
Sie küßte ihn flüchtig, als sie hörte,
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