Das Rennen zum Mars
Fumarole. Die Entdeckungen. Ein paar Bilder vom Leben in der Tiefe. Das Versprechen, auf den Treibhaus-Experimenten aufzubauen … »Die, wie Sie alle sahen, leider durch die ebenso unerwartete wie wundersame Kraft des Fumarolen-Lebens unterbrochen wurden. Dieses Leben ist zäh, denn es hat sich unter widrigeren Bedingungen entwickelt als das Leben auf der Erde. Allerdings bedeutet das nicht, daß es uns überrennen wird. Sauerstoff ist nämlich Gift für diese Lebensformen – ich habe ein paar Pflanzen mit Sauerstoff behandelt, und sie schrumpelten in wenigen Minuten zu braunem Kompost zusammen. Es stellt keinerlei Gefahr für die Erde dar!«
»Ich sollte nicht als einzige von der Mars-Matte berichten«, sagte sie, nachdem sie die Sendung beendet hatte. »Es ist genauso deine Entdeckung.«
»Ja, nur habe ich nicht so viel investiert wie du. Ich wäre nicht fast draufgegangen für meine Forschungen.«
»Unsere Forschungen.«
»Du bist die Herrin des Lebens, wie diese TV-Show dich tituliert hat.«
»Dein Name wird neben meinem auf den Forschungsberichten erscheinen.«
»O nein, muß ich jetzt auch noch Berichte schreiben?«
Sie lächelte ihm zu. »Preis des Ruhms.«
Kapitel 26
26. Januar 2018
Sie verglich sich und die anderen Besatzungsmitglieder mit einem Schlüsselloch, durch das Milliarden Menschen auf eine fremde Welt lugten.
Doch wie sollte man die Intensität des Mars durch diese kleine Öffnung pressen? In erster Linie waren sie Piloten, Ingenieure, Wissenschaftler – keine Volkshochschul-Dozenten, sondern Macher. In unzähligen ›Spritzern‹, wie Viktor es nannte, hatten sie Videoaufnahmen, Kommentare und Interviews an die Erde übermittelt. Es hatte jedoch nie gereicht, das unersättliche Medien-Maul zu stopfen, und nun war der Appetit noch viel größer geworden.
Die Botschaft indes, die sie an ihre Eltern schicken mußte, kam sie am schwersten an. Sie mußte eingestehen, ihnen die größte Sensation der Geschichte vorenthalten zu haben. TÖDLICHES LEBEN AUF DEM MARS! hatte die Schlagzeile einer in Sydney erscheinenden Zeitung sie angesprungen.
Ihr Vater hatte die Schlagzeile ruhig und mit ironischem Unterton zitiert, ohne daß in seiner Stimme Verärgerung oder Enttäuschung mitgeschwungen hätten. »Wir verstehen, daß du das geheimhalten mußtest, mein Schatz«, hatte er gesagt. Sie hatte das Fernsehbild intensiv gemustert: wirkte er müder als sonst? »Völlig gerechtfertigt unter dem Sicherheitsaspekt und so.«
Sie hatte sich trotzdem entschuldigt und es auch so gemeint. Sie hatten schon genug Probleme und mußten nicht noch um drei Ohr nachts von einem arroganten Medien-Typ geweckt werden, der einen Kommentar zum ›beinahe tödlichen Unfall Ihrer Tochter‹ wollte.
Solche scheinbar geringfügigen emotionalen Probleme machten ihr in der Freizeit zu schaffen. Geringfügig zumindest im Vergleich zu den akuten Problemen, die über sie hereinbrachen. Sie mußte die Dinge in der richtigen Perspektive sehen. Sie hatte Myriaden Wehwehchen, die alle für die Ärzte registriert wurden.
Am nächsten Morgen fühlte sie sich wesentlich besser. »Ich weiß, daß ich um Haaresbreite überlebt habe«, sagte sie in einer kurzen Nachricht an die Ärzte. »Aber eine Minute im Vakuum! … Ich wette, nach den Erkenntnissen der Schulmedizin müßte ich nun tot sein.«
Viktor, der das mitbekommen hatte, sagte: »Heute ein Wunder, in der Zukunft ein Standard-Trick.«
Sie freute sich, daß Viktor überhaupt darauf einging, denn er und Raoul bereiteten sich wie besessen auf den Triebwerks-Test vor, der am nächsten Tag stattfinden sollte. »Wie das?«
»Ist doch sehr umständlich, die Anzüge an- und wieder auszuziehen. Für die Zukunft würde es sich anbieten, einen Sprint nach deinem Vorbild zu machen – und dabei müßte man nicht einmal die Luft anhalten.«
Irgendwie schockierte diese Anregung sie. »Aber es war … beängstigend.«
»Beim erstenmal muß das so sein. Beim zweitenmal ist es vielleicht noch für eine Zeitungsmeldung gut.« Er grinste. »Und beim drittenmal ist es Routine.«
Sie erinnerte sich daran, wie das Personal der Arktis-Station der Mars Society vom Schneefahrzeug zur Unterkunft geflitzt war, ohne sich die Mühe zu machen, die schweren Daunenjacken und Stiefel anzuziehen. Wenn man vorwitzig die Nase in die Elemente steckte, wurde das gerade einmal mit einem Pieksen quittiert. »Weißt du, wahrscheinlich hast du sogar recht.«
»Gefahr macht Laune«, sagte Viktor. »Doch am
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