Das Rennen zum Mars
fehlt zwar noch die letzte Gewißheit – aber ich glaube schon, daß das, worüber wir während der Ausbildung in den NASA-Seminaren gesprochen haben, in diese Richtung weist.«
Er rutschte auf dem Sitz herum und beugte sich nach vorn, um seinem Anliegen durch Körpersprache Nachdruck zu verleihen. »Ich muß sie unbedingt sehen.«
»Das ist zur Zeit nicht möglich.«
»Wieso nicht?«
»Wir sind bestrebt, sie vor schädlichen Einwirkungen zu schützen.«
»Aber ich würde mich doch innerhalb der Druckhülle des Gewächshauses aufhalten.«
»Schauen Sie, viele Leute auf der Erde haben mit Blick darauf eine regelrechte Paranoia entwickelt. Wenn Sie sich die Nachrichten ansehen, wissen Sie Bescheid. Ein paar von ihnen wollen uns sogar am Rückflug hindern, weil sie Angst vor einer Seuche haben.« Sie hatte eigentlich keinen Grund, ihm den Zugang zu den Proben zu verwehren – außer dem rabiaten Strunk. Von der Hysterie der Erdlinge ließ sie sich ohnehin nicht anstecken.
»Welche Untersuchungen haben Sie noch durchgeführt? Vielleicht finden wir einen Weg, die Öffentlichkeit zu beruhigen.«
Sie musterte ihn prüfend. Er machte einen aufrichtigen Eindruck; und sie freute sich, daß sie doch noch eine Chance bekam, der Biologie zu ihrem Recht zu verhelfen. Der ständige Interessenkonflikt mit den Kameraden war auf Dauer zermürbend.
»Haben Sie DNA-Vergleiche durchgeführt?«
»O ja. Ich will sie Ihnen zeigen. Das ist noch das Beste von allem.
Zuerst habe ich es mit Venters dreihundert Standard-Genen versucht – hat nicht viel gebracht. Ich weiß nicht einmal, wie ich die Ergebnisse interpretieren soll.«
»Ich würde Ihnen gern helfen. Ich bin von Haus aus Theoretiker, müssen Sie wissen.«
»Dann werden Sie Ihre helle Freude daran haben.« Auf dem Palmtop rief sie die Ergebnisse des Gen-Vergleichs der Archaea-Bakterien auf. »Hier. Die Gene der Fumarolen-Lebensform weisen eine sechsundachtzigprozentige Kongruenz mit dem sogenannten einzigartigen Teil des Archaea-Genoms auf.«
»Das bedeutet …«, sagte Chen wie in Trance.
»Einen gemeinsamen Ursprung. Diese einzigartigen Gene sind Mars-Gene.«
»Das ist unglaublich. Das ist die größte Entdeckung in der Biologie seit Darwin. Ich muß mir das ansehen. Wir müssen Ihre Ergebnisse bestätigen.«
Nach kurzem Zögern wagte sie den letzten Schritt. »Wenn die Wogen sich geglättet haben, unternehmen wir vielleicht gemeinsam einen Abstieg in die Fumarole, und dann können Sie sich die Sache selbst anschauen.«
Chen lächelte breit. »Das wäre wirklich interessant. Aber wieso warten? Sie haben doch Proben im Gewächshaus.«
»Es tut mir leid, aber ich bin nicht in der Lage …«
Er versteifte sich wieder. »Sie wollen es mir nicht zeigen, weil Ihre Leute nicht damit einverstanden sind«, sagte er mit versteinertem Gesicht.
»Ja, so ist es.«
»Sie und ich, wir sind hier die einzigen Biologen. Wir müssen zusammenarbeiten.«
»Sie werden in ein paar Monaten zurückfliegen. Wenn ich Ihnen nun meine ganze Arbeit zeige, was …«
»Sie befürchten, daß ich den Lorbeer einheimse?« Er lächelte warmherzig. »Nur daß Milliarden Menschen die Wahrheit schon kennen. Sie haben das Leben hier entdeckt. Nicht ich.«
»Ich will die Ergebnisse erst dann veröffentlichen, wenn ich sie noch einmal überprüft habe …«
»Ich werde Ihnen bei der Überprüfung helfen. Es ist eine Menge Arbeit.«
»Die Daten sind Eigentum des Konsortiums. Wir können nicht einfach …«
»Wie Sie schon sagten, werde ich bald verschwunden sein. Dies ist Ihre einzige Chance für eine Zusammenarbeit.«
»Schauen Sie, ich würde wirklich gern mit Ihnen zusammenarbeiten, aber …«
»Dann werde ich das eben ermöglichen. Fliegen Sie mit uns zurück.«
»Was?« Das hatte sie nicht kommen sehen.
»Wir werden ein halbes Jahr für die Zusammenarbeit haben. Wir werden Theorien aufstellen und Vergleiche anstellen …«
»Nein, ich kann nicht mitkommen …«
»Sie werden die Proben natürlich mitnehmen.«
»Nein, ich wollte damit sagen, daß ich Viktor nicht im Stich lasse.«
»In erster Linie dürfen Sie Ihre große Entdeckung nicht im Stich lassen.«
»Wenn man den irdischen Medien Glauben schenkt, wollen viele Leute, daß wir alle Proben zurücklassen.«
Er tat das mit einer Handbewegung ab. »Narren. Westliche Journalisten eben.«
»Wenn Sie Proben in Ihrem Schiff mitnehmen, werden Sie unter Quarantäne gestellt.«
»Womit das Material für längere Zeit dem Zugriff der
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