Das Rennen zum Mars
beachtete ihn nicht. »Also haben wir aufgrund dieses Hinweises den Schluß gezogen …«
»… daß jemand eine Atomrakete baut«, sagte Viktor.
Axelrod blinzelte, und zum erstenmal sah Julia, wie ein unsicheres Lächeln um seine Lippen spielte. »Woher wissen Sie das denn?«
»Hier wird beschrieben, wie man eine thermonukleare Rakete für die Erzeugung von Elektrizität verwendet«, erklärte Viktor. »Nach der Beschleunigungsphase steht das Festbrennstoff-Antriebssystem zur Verfügung. In den Uran-235-Platten ist noch reichlich Energie gespeichert. Wenn man nun die Kernspaltung moderiert und Wasser oder eine andere Flüssigkeit zwischen den Platten zirkulieren läßt, werden alle Systeme des Schiffs mit Strom versorgt.«
Die anderen nickten. Für Julia klang das plausibel. Doch Axelrod starrte Viktor entgeistert an. »Alle Teufel der Hölle, Sie haben recht.
Meine Spione brauchten noch einmal drei Wochen, um das herauszufinden.«
»Haben eben keine Ahnung von Raketen.«
» Mir haben sie aber gesagt, sie würden etwas davon verstehen.
Mein Stab war auch dieser Ansicht.«
»Heuern Sie neue Schnüffler an. Ich kenne da ein paar Jungs von der Russenmafia, die bessere Arbeit leisten würden.«
»Ich weiß, vielleicht sollte ich das wirklich tun.« Axelrod sog geräuschvoll die Luft ein und erlangte die Fassung zurück. »Vielleicht hat Viktor eine Ahnung, wer hinter dieser Botschaft steckt.«
Viktor runzelte die Stirn. In seiner Eigenschaft als Ingenieur hielt er nicht viel von Spekulationen und noch weniger von Ratespielen.
»Ich erkenne hier die russische Handschrift, obwohl das für einen Einzelspieler keinen Sinn ergibt.«
»Stimmt«, sagte Axelrod. »Sie haben sich eine alte russische Ausrüstung beschafft. Einen Satz Platten für das U-235 und einen Druckbehälter.«
»Von einem alten sowjetischen Programm? Ich hörte, die Arbeitsgruppe in Semipalatinsk hätte eine thermonukleare Rakete einem tausendstündigen Triebwerkstest unterzogen.«
Axelrod nickte. »Das paßt ins Bild. Umweltschutz war für die Genossen ein Fremdwort.«
Viktor schnaubte. »Damals pflegten die Leute überhaupt einen recht sorglosen Umgang mit nuklearen Gerätschaften – ob Bombe, Rakete oder Kernkraftwerk.«
Axelrod quittierte dieses Bonmot mit einem unsicheren Lächeln.
»In meinem Hintergrund-Bericht wird den Sowjets allerdings bescheinigt, daß sie gute Arbeit geleistet hätten.«
»Sie haben den Probelauf unterirdisch durchgeführt wie bei einem Atombombentest.« Viktor neigte den Kopf in der für ihn typischen nachdenklichen Pose. »Dadurch wurden keine Abgase auf die Oberfläche geblasen. Obwohl die Abgase ohnehin nur schwach radioaktiv waren.«
Axelrod ließ den Blick über sein Team schweifen. Er genoß das Ratespiel sichtlich. »Wer steckt also dahinter, Leute?«
Niemand meldete sich. Weil Julia wußte, daß Axelrod in erster Linie in finanziellen Kategorien dachte, sagte sie: »Jemand hält es für möglich, vor uns auf dem Mars zu landen – und zwar ohne dreißig Milliarden Dollar dafür auszugeben. Aber bei dem Aufwand, der dafür erforderlich ist, glaube ich nicht, daß man eine nukleare Rakete im Schnäppchenmarkt bekommt.«
»Das setzt eine gewaltige Entwicklungsarbeit voraus«, sagte Raoul bedächtig. »Bisher ist noch niemand mit einer Nuklearrakete geflogen.«
»Zumal es heutzutage politisch gar nicht durchsetzbar ist, radioaktive Abgase in die Atmosphäre zu blasen«, sagte Viktor.
Raoul nickte. »Also müssen sie das Ding mit einer Trägerrakete in den niedrigen Orbit schicken. Vielleicht mit einer Proton IV?«
»Ich habe zwar keine Ahnung von den amerikanischen und sowjetischen Programmen«, sagte Katherine, »aber ich weiß über die Orbitalmechanik Bescheid. Angesichts der großen Entwicklungsarbeit werden sie es bestimmt nicht schaffen, gleichzeitig mit uns zum Mars zu fliegen. Deshalb werden sie das Fenster verpassen und einen horrenden Energiepreis zahlen müssen, um uns einzuholen.«
Axelrod hieb mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Genau.
Also müssen sie später fliegen – viel später. Wir wissen aber nicht, welche Trajektorie sie nehmen werden. Meine Spürhunde haben in dieser Hinsicht noch nichts herausgefunden.«
»Vielleicht planen sie eine ›Hauruck-Mission‹«, sagte Katherine.
»Wenn sie unser Fenster verpassen, fliegen sie eben sechsundzwanzig Monate später. Landen, greifen sich irgendwas und fliegen dann mit Volldampf zurück, um uns um ein paar Tage zu
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