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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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um, rutschte den Berg hinab zu Lanei'ta, zog sich hoch … Und in dieser Sekunde, so, als sei er über die eigene Atempause zornig, schlug der Sturm erneut zu, zerstäubte die Wassermassen, die vom Himmel brachen, zu gischtigem, milchweißem Schaum. Lehmbraune Fluten schossen den Berg hinab. Sie rissen Baumstämme, Astreich, herausgerissene Wurzelstücke mit sich und stürzten über die Felsen ins Tal. Ein Rauschen, Gurgeln … ein Katarakt aus Schmutz, Dreck und tanzenden Wasserwirbeln …
    ***
    Tama hatte den tiefen Erdofen vor Wo'nus Haus erst im letzter Augenblick gesehen. All das Wasser machte sie blind. Es war ohnehin schon zu spät: Sie schlitterte, versuchte sich noch festzuhalten, fiel in das viereckig ausgeschachtete Loch. Das Wasser, das darin stand, bremste den Aufprall auf die Steinauskleidung. Knochen und Zweige schwammen in der braunen Brühe, aber die triefendnassen Wände boten wenigstens Schutz vor dem Sturm, dem sie sich gerade noch hilflos wie ein Strohhalm ausgeliefert gesehen und der sie in den Schlamm geschleudert hatte, so daß sie nur noch kriechen konnte.
    Ihre Augen waren verkrustet. Sie schluchzte. Und dann tauchte sie die Hand in das schmutzige Wasser und rieb sich das Gesicht, um wenigstens den Blick frei zu bekommen.
    »Ovaku.«
    Aber Ovaku mußte tot sein. Ovaku war fort, war auf dem Schiff, sie fühlte, sie ahnte es, und diese Ahnung kam ihr, wie so oft, mit der brutalen Klarheit der Erkenntnis.
    In ihrem Mund war der bittere Geschmack von Erde und Sand. Sie schob sich hoch: Gras, wie fliegendes Haar … Wasser, das mit wildem Rauschen durch die Senke schoß … Was war aus den Palmen geworden? Stumpfe, geborstene oder flachgedrückte Stämme, ein fremdes, unbegreifliches, grauenhaftes Holz- und Blätter-Chaos, aus dem sich vereinzelte wild flatternde Palmwedelkronen schoben.
    Sie krallte die Finger in die Erde.
    Dort …
    Flach, schattenhaft wölbte sich aus der Zerstörung etwas, das ihr im ersten Moment wie ein gewaltiger, lebloser Fisch erschien. Als nun der Regen nachließ, erkannte sie den verdreckten Rot-Anstrich eines Schiffes. Es gab nur ein einziges solches Schiff …
    Das Wasser stand Tama nun bis zur Taille. Und es stieg weiter. Wenn sie noch länger in diesem Loch bleiben mußte, würde sie ertrinken wie eine Ratte. Sie stemmte die Füße gegen die Seitenwand des Erdofens, fand einen Stein, spannte alle Kraft, fand einen zweiten, schob sich hoch, nach draußen – um von der Titanenkraft des Sturmes zu Boden geschleudert zu werden.
    Dieses Mal war sie nach wenigen Metern im Windschatten der Baumruinen. Sie konnte sich sogar erheben. Gebückt, die Füße bis zu den Knöcheln in tiefem Schlamm, arbeitete sich Tama vorwärts. Scharfkantige Palmenblätter schnitten in ihre Haut. Sie spürte es nicht einmal.
    »Ovaku …«
    Das Boot lag seitlich, und das Deck, Gott sei Dank, auf der windabgewandten Seite. Zersplittertes Glas, zerrissene Leinen, verbogenes Blech, herausgerissene Ausrüstungsteile und Trümmer der Saloneinrichtung, das alles lag auf dem nassen Sand und auf zerschmetterten Korallenstücken, die die Flutwelle mit herangetragen hatte.
    Sie zog sich an einer verbogenen Relingstange hoch. Aber sie war zu schwach. Von irgendwoher kam eine Hand, umklammerte ihren Arm. Und da war eine zweite. Sie fühlte sich gezogen, rutschte über das nasse Deck, wurde festgehalten.
    »Afa …«, sie flüsterte es. »Afa, Afa …«
    Er schleppte und schob sie wie eine nasse Puppe durch eine Öffnung. Die Geräusche klangen jetzt gedämpft, nur noch das Rauschen des Wassers war zu vernehmen. Benommen sah Tama sich um. Licht drang von oben, drang durch drei kleine ovale Scheiben, über die Wasser lief, und dann endlich fügte ihr Verstand die Eindrücke zusammen: Sie war im Salon. Das Schiff lag zur Seite gekippt. Das Wasser konnte nicht herein. Und der Sturm klang hier in der Abgeschlossenheit wie in einer Regentonne. Sie könnte sprechen, wenn nur die Lippen mitmachen würden.
    »Ovaku … Ist er …« Sie wagte den Satz nicht zu Ende zu bringen.
    »Er lebt«, sagte ihr Bruder da.
    Sie schloß eine Sekunde die Augen. Dann sah sie Afa an. Sein Gesicht war von Blut verkrustet, Blut sickerte noch immer über die Stirn. Es kam aus einer Wunde, die die nassen Haare verbargen. Seine Lippen waren verschwollen, und mit diesem verzerrten, verformten Mund versuchte er ihr zuzulächeln.
    »Aber … Wie … Die ›Paradies‹ …«
    »G'erenge«, sagte er, »G'erenge hat den Himmel und das Meer

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