Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Boot vielleicht?
    Oder irgendein Trümmerstück, das dort trieb?
    Er griff zum Glas und hatte Mühe, den Strich wiederzufinden, doch dann … Ja, es war ein Mast. Der untere Teil eines Mastes, an dem die Spitze abgebrochen schien.
    Ganz deutlich, wie hin und her schwingende Fadenenden, waren die abgerissenen Wanten zu erkennen, ein Teil der Takelung hing herab. Segel oder auch nur Reste von Segeln waren nicht auszumachen.
    Was immer dort draußen schwamm, es schien sich kaum zu bewegen. Aber Schiff oder Wrack – die Erkenntnis traf ihn wie ein Schock: Außer der ›Roi de Tahiti‹ war das dort das erste Zeichen der Außenwelt, das in den Jahren, die er hier verbrachte, vor Tonu'Ata auftauchte. Wie oft hatte er sich danach gesehnt! Die Augen hatte er sich wund gesehen! – Und jetzt? Wer war das? Wer, Himmelherrgott, konnte das sein, der da hilflos und wie er selbst vor Jahren vom Sturm abgetrieben in den Wellen schaukelte?
    Er griff zum Bordtelefon: »Tama!«
    Sie gab keine Antwort, aber da war sie schon selbst, eine Rolle Kekse in der Hand, einen mit Marmelade beschmierten Keks dazu noch zwischen den Zähnen. »Dieses blöde Marmeladezeug! Jetzt hab' ich's schon an den Haaren.«
    »An der Nase auch.«
    »Was ist denn mit dir? Was machst du für ein Gesicht? Nimm mal.« Sie hielt ihm die Kekse hin. »Ich geh' runter und wasch' mich.«
    »Da ist ein Lappen. Und da nimm das Glas. Dort draußen – siehst du nichts?«
    »Was denn?«
    »Ein Schiff.«
    Sie blickte ihn nur an. Und ihr Gesicht beherrschte das gleiche erregte, ungläubige Staunen, das er selbst empfand. Dann hatte sie das Glas an den Augen. »Wo, Ovaku? Ich … ich seh' nichts.«
    »Weiter rechts.«
    Die Haut an ihren Wangenknochen spannte sich, ihr ganzer Körper erstarrte: »Ich weiß, wer das ist, Ovaku!«
    »Aber du siehst doch nichts als den Mast.«
    »Ich hab' auch das Schiff gesehen. Ein bißchen wenigstens. Die Farbe. Das ist Schibe, Ovaku?«
    Schibe? – Gilbert Descartes.
    Ron stieß die Luft aus seinen Lungen.
    »Na dann«, sagte er. »Auf den war ich schließlich schon immer gespannt …«
    ***
    Ein derartiger Bastard von Schiff war Ron noch nie vor die Augen gekommen: Der Steven fast rund, der weitgewölbte, plumpe Rumpf klinkerbeplankt und – da der Besitzer anscheinend nicht ausreichend Farbe hatte auftreiben können – schwarzgrün, ja zum Teil braungescheckt gestrichen. Auch diese Farbkombination war verkrustet und verfleckt. Der Rumpf sah aus, als sei er vom Ausschlag befallen. Am Bug stand in weißer Schrift: ECOLE II.
    Was sollte das nun wieder? Was sollte das alles überhaupt?
    Nicht nur das Alter, auch das Wetter hatte dem Schiff gewaltig zugesetzt. Die Mastspitze war gebrochen, die abgerissenen Wanten pendelten hin und her, und die dunkle, nasse Masse auf dem Kajütendach war wohl das Großsegel, das die Besatzung geborgen hatte. Und auch die Fock war eingeholt. Aber das Schiff trieb nicht, es fuhr!
    Tatsächlich: Langsam, wie eine Schildkröte zwar, kam es näher und näher, eine dicke, schwarzgraue Wolke von Dieselqualm hinter sich herziehend. Es fuhr auf sie zu.
    »Wen hat er denn noch an Bord, Tama?«
    »Niemand. Schibe fährt immer allein.«
    »Im Ernst?«
    »Was heißt im Ernst? Tust du doch auch!«
    »Doch nicht mit einem solchen Steinzeitkahn. Das kann man doch gar nicht!«
    »Schibe schon«, sagte sie.
    Ron drückte das Okular des Glases so fest gegen die Augen, daß die Haut schmerzte. Sechzehn Meter, schätzte er. Und bei der Breite brachte er es auf gut fünfzig Tonnen. Tama hatte recht: Alles, was er erkennen konnte, war die einsame Figur, die nun gerade aus dem Steuerhaus kam und sich an einer Wante festhielt.
    Ron nahm Fahrt zurück, fuhr einen Bogen um das merkwürdige Schiff und kuppelte aus.
    »Ich kann's nicht glauben.« Tama wurde ganz andächtig. »Es gibt ihn noch! Ja, das ist er, das ist Schibe. Sieh doch!«
    Er sah nichts. Der Skipper dort drüben war wieder in seinem Steuerhaus verschwunden, aber sie hatte schon immer die besseren Augen gehabt – außerdem, wer sonst auch könnte es sein?
    Nun vermochte Ron die Einzelheiten genau zu erkennen. Er hatte Fotografien der alten Koprakutter gesehen, die früher den Handelsverkehr zwischen den Inseln besorgten. Das Ding da drüben mußte mindestens siebzig Jahre auf dem Buckel haben, und trotz seiner Kakadubemalung schien es kräftig in Schuß.
    Schon in den zwanziger Jahren waren solche Kutter von Insel zu Insel gefahren, um die Kokosschnitzel für die Öl- und

Weitere Kostenlose Bücher