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Das Riff der roten Haie

Das Riff der roten Haie

Titel: Das Riff der roten Haie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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    Er mußte es hinter sich bringen. Er wußte, warum … Es waren die Geister der beiden, ja, die Geister der beiden dort in ihrer Ecke.
    Tot? – Was war das schon? Die anderen hatte er ausgelacht, wenn sie mit ihrem Geisterblödsinn anfingen, Ma'afu redete ständig von Geistern, nicht mal eine Dose Bier riß er auf, ohne sich bei irgendeinem Geist zu bedanken. Ob auf den Fidschis oder hier auf Tonga, sie waren alle verrückt mit ihren Geistern. Aber zu Hause, dachte er, zu Hause war es genauso. Die Geister hießen dort Dämonen. Oder Götter. Oder sonst was. Und sie waren überall …
    Der Bug des Katamarans stieg hoch, krachte in das nächste Wellental. Der Schwall Wasser, der sich über den Aufbau ergoß, hätte ihn beinahe mitgerissen: Wasser in den Augen, in der Nase, selbst in den Lungen. Er hustete es aus.
    Überall waren Geister oder Dämonen. Jesus hilft dir nicht. Nicht jetzt, nicht hier. Doch die Geister durften nicht stärker bleiben. Das wollten sie … Er spürte es …
    Der Pai war auf die Knie gefallen.
    Die linke Faust hatte er an das Halteseil geklammert, um nicht von Bord gefegt zu werden, mit der rechten Hand tastete er sich zu den leblosen Körpern. Und jetzt, jetzt war er über ihren nassen, fremden Gesichtern mit den aufgerissenen Augen!
    »Gleich, gleich. Seid ganz ruhig. Gleich …«
    Er schnitt die Nylonleine durch, die die Leichen an die Reling preßte.
    Die Toten bewegten sich. Mußten sie doch, so, wie der Katamaran jetzt wieder hochstieg … Aber sie bewegten sich nicht nur, sie rollten, rutschten über den überfluteten Plastikbelag, mit weit ausgebreiteten Armen. Und diese Arme schienen nach ihm zu greifen. Der Pai dachte nur eins: raus! Das muß ein Ende haben! Die wollen dich … Die wollen uns alle … Raus mit euch!
    Er ließ das Haltetau los und hielt sich nun am Entlüftungsstutzen fest.
    Er keuchte. Sein Herz hämmerte. Bring es hinter dich …
    Er griff nach der Leiche der alten Frau. Doch mit dem rechten Arm brachte er den leblosen Körper nur bis zur Hälfte über das Schanzdeck hoch. Der Kopf mit dem weit aufgerissenen Mund schlug dumpf gegen den Holm. Ein schreckliches hohles Geräusch war es, das seine verzweifelte Wut noch steigerte: Fort mit euch! Über Bord!
    Seine Finger rutschten über den nassen Handlauf, und dann, dann kniete er zwischen den Toten, kniete direkt am Flaggstock. Diesmal nahm er den Mann zuerst. Er schob mit dem Knie nach. Groß war er. Schwer. So verdammt schwer! Aber da half eine Welle, riß den Katamaran zur Seite, und er hatte ihn oben. Schob nach …
    Nun die Frau. Die wog ja nichts. Fort mit ihr …
    Eine neue Sintflut von Wasser hätte ihn ihr beinahe nachgeschickt.
    Verkrampft, alle Kräfte angespannt, hielt er sich am Aluminiumrohr des Flaggstocks fest.
    »Kyrie eleison«, rief der Pai, als er wieder Luft bekam. »Heiliger Vater und Heiliger Geist.«
    Schließlich waren das Christen gewesen. Auch Christen haben Geister, dachte er, als er sich zur Kajüte zurückangelte. Und ob!
    Hinter ihm war nichts als sturmgepeitschte Gischt …

5
    Als Ron Edwards erwachte, krähten draußen die Hähne, gackerten die Hühner, bellten die Hunde. Und er fragte sich als erstes, was dies eigentlich für ein Tag sei: Mittwoch? Donnerstag?
    Donnerstag. – Und den Mittwoch, den streichen wir besser, einschließlich Tauchausflug, Alpträume und alles, was noch so dazugehörte.
    Die Fenster waren weit geöffnet, und der blaue, strahlende Himmel erschien wie ein einziges gutes Vorzeichen. Der Bambus und die Pandanusblätter vor dem Fenster leuchteten grün, wie gelackt. Außerdem: Es roch nach Kaffee. Und, noch besser: im Türrahmen stand eine lächelnde Tama!
    Ron streckte sich.
    »Dein Kaffee ist fertig. Frühstück, Ovaku!«
    »Und sonst?« fragte er grinsend.
    »Sonst – was? Spiegeleier mit Speck.« Sie kam näher. »Was sonst?«
    Ron verzog das Gesicht zu der lustvollen Grimasse, die nun mal zu ihrem Spiel gehörte. Er strich zärtlich über ihre Arme und fühlte die glatte Festigkeit der Haut.
    »Wie wäre es damit?«
    Sie schlug nach ihm. Und drehte sich geschickt ab, ehe er das Wickelkleid öffnen konnte.
    »Weißt du, was du bist, Ovaku?«
    »Das schon«, nickte er. »Ein Angeber.«
    »Und ein Lügner. Ich kenn' dich. Dein Kaffee ist dir lieber als ich.«
    »Und die Spiegeleier auch. – Ich schäme mich, Tama.«
    Er aß mit einem gewaltigen Appetit und verzehrte zu den Eiern einen ganzen Stapel frisch gebackenes Fladenbrot. In der Nacht mußte es

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